Das stimmt natürlich nicht, denn den Bückeberg soll es in Deutschland nur viermal geben: einen bei Eschwege, einen bei Gernrode, einen als Teil der Bückeberge im Calenberger Bergland, das zum Landkreis Schaumburg gehört und schließlich einen bei Emmerthal im Landkreis Hameln-Pyrmont.
Um den Letztgenannten ist jüngst eine heftige Debatte entbrannt, war er doch zur Zeit des Nationalsozialismus Ort der von 1933 bis 1937 stattfindenden "Reichserntedankfeste", eine der größten Massenveranstaltungen der Faschisten, an der auch Adolf Hitler teilnahm.
Der nach den Plänen von Albert Speer gestaltete "Reichsthingplatz" mit Rednertribüne auf der einen Seite, Ehrentribüne auf der Anhöhe und dem dorthin führenden Mittel- oder "Führerweg", der mitten über den Platz führt, steht heute unter Denkmalschutz und soll zu einer Dokumentations- und Lernstätte umgestaltet werden.
Nach Ansicht von Experten ermöglicht eine solche Stätte, "Geschichte(n) zu erzählen, die einerseits sehr fremdartig anmuteten, andererseits aber auch Vertrautes enthielten und so auch Prozesse vorsichtiger Identifizierung und Selbstbefragung ermöglichten. An Orten wie dem Bückeberg sei Zugang zur NS-Thematik vergleichsweise leichter herzustellen als in KZ-Gedenkstätten" (Michele Baricelli), allerdings müsse "der Rückhalt in der Bevölkerung gesichert" (Stefan Küblböck) sein.
Und genau daran hapert es ganz heftig: Im März diesen Jahres stimmte der Kreistag des Landkreises Hameln-Pyrmont zwar mit einer knappen Mehrheit dem Konzept einer Dokumentations- und Lernstätte mit befestigten Wegen und Informationstafeln auf dem Bückeberg zu. Allerdings lehnte der Rat der Samtgemeinde Emmerthal das Vorhaben mehrheitlich ab.
Jüngst präsentierten die beteiligten Kommunalpolitiker einen "Kompromiss": Statt den Berg auf Hitlers Paradestrecke zu besteigen, sollen sich Besucher quasi von hinten direkt der Bergkuppe und damit dem Ort der Rednertribüne nähern. Der untere Bereich des 160 Meter hohen Berges wird nicht verändert, die Wege nicht befestigt, eine Wiese weiterhin landwirtschaftlich genutzt und schließlich soll ein Teil der geplanten Ausstellung in das nahegelegene Museum für Landarbeit und Landtechnik in Börry integriert werden. Ein Witz!
Das Konzept des Vereins für regionale Kultur- und Zeitgeschichte um den Historiker und Theologen Bernhard Gelderblom basierte aber gerade darauf, den Besuchern die Inszenierung der Nazis sinnfällig zu verdeutlichen: Der 800 Meter lange Anstieg vom Fuß des Berges - der in Emmerthal liegt - zur höher gelegenen Rednertribüne soll nun flach fallen und die Emmerthaler durch den Einstieg der Besucher an der Bergkuppe geschont werden.
Dabei scheuen die Gegner des Konzepts nicht davor zurück, fragwürdige Argumente ins Feld zu führen, wie das, dass man keine Wallfahrtstätte für Neonazis schaffen wolle (wie es das Winkler-Bad in Bad Nenndorf oder die Grabstätten der von den Briten hingerichteten Kriegsverbrecher in Hameln waren). Nun geht es bei dem Ereignisort des Reichserntedankfestes nicht um eine Stätte, die sich als eine des Martyriums von den Ewiggestrigen verwerten ließe, sondern vielmehr um einen erlebbaren Ort der Vereinigung von Volk und "Führer" - mit dem aber nach dem Willen der Ortsansässigen und Kommunalpolitiker nicht konfrontiert werden und das möglichst an die Peripherie verbannt bleiben soll. Dabei: Um wieviel leichter wäre es - wenn man dem ursprünglichen Plan folgte -, die Mechanismen der Massenbeeinflussung zu verstehen und ihnen womöglich - auch in ihrer aktuellen Ausprägung - zu widerstehen?
Keine Zeit für Zumutungen - wie es scheint. Nicht nur die Emmerthaler waren Zeugen und Teilnehmer des von den Nazis inszenierten Massenspektakels Reichserntedankfest: Bis zu 1,3 Millionen Menschen - sicher überwiegend bäuerlicher Herkunft - kamen auf dem Gelände zusammen. Das darf erzählt, damit darf man direkt konfrontiert werden, wobei sicher die Gedenkstätte Bergen-Belsen als anschauliches Beispiel für ein gelungenes Konzept dienen kann, sind doch auch dort Gräuel nur noch in Andeutungen sichtbar.
"Bückeberg ist überall" meint etwas anderes: Überall kann man in Zeiten von überbordendem Populismus dieses Zurückweichen vor dem vermeintlichen Volkswillen konstatieren, sei es im Bauhaus, in Chemnitz oder anderswo. Und das ist höchst unerfreulich.
Nicht nur dem passionierten Naturfreund sei übrigens angeraten, mindestens den Emmerthaler, aber auch den Schaumburger Bückeberg zu besuchen (meinetwegen auch die beiden anderen) und sich vor Ort ein Bild von Örtlichkeiten und den Befindlichkeiten der Anwohner zu verschaffen.
Auch in Schaumburg finden sich reichlich vergessene, eliminierte oder nur mit großen Mühen bezeichnete Orte. Man denke nur an das Synagogengebäude in Obernkirchen, das 1970 (!) abgerissen wurde. Zwölf Jahre warteten Antragsteller auf eine Tafel auf dem so genannten "Russenfriedhof" Am Horn in Rehren, 14 Jahre auf eine Informationstafel für die Zwangsarbeiter des Steinbruchs Steinbergen auf dem reformierten Friedhof in Bückeburg, 17 Jahre auf die Errichtung einer Gedenkstätte für die Zwangsarbeiter im Steinbruch selbst, gar 22 Jahre bis auf dem jüdischen Friedhof in Hattendorf eine Informationstafel für die Zwangsarbeiter im Auetal aufgestellt wurde.
Und auch das Vorhaben anders enden können als gedacht, weiss man im Schaumburgischen: Das ehemalige Synagogengebäude in Bückeburg "zierte" bis vor kurzem folgender Text: "Dieses Gebäude diente von seiner Erbauung 1866 bis zum 9.11.1938 als Synagoge." Geplant war: "Dieses Gebäude wurde 1866 als Synagoge erbaut. Mit dem 9.11.1938 erlosch das Leben der jüdischen Gemeinde Bückeburg. Das Schicksal der jüdischen Mitbürger mahne unser Gewissen an die Wahrung von Menschlichkeit und Recht.“
Weitere Informationen: www.dokumentation-bueckeberg.de/