Stolperstein-Rundgang: Jugendliche aus aller Welt gehen in Magdeburg am 3. Oktober 2024 auf Spurensuche
2023 organisierte der Rotaract Klub Magdeburg zusammen mit der städtischen AG „Stolpersteine für Magdeburg“ eine Projektaktion, die das Schicksal der jüdischen Einwohner in der Zeit des Nationalsozialismus zum Inhalt hatte.
Rotaract ist mit über 250.000 Mitgliedern in ca. 11.000 Clubs eine der größten Jugendorganisationen der Welt. Der Name Rotaract setzt sich zusammen aus den Worten „Rotary in action“ und steht für junge Erwachsene, die sich gemeinsam ehrenamtlich sozial engagieren – „Jugend in Aktion”.
Mehr als 50 Jugendliche aus zahlreichen Ländern nahmen 2023 an der Aktion teil, die sich für ein Jahr - mit Förderung der Rotarier-Gliederungen ihrer Länder - in verschiedenen Städten Deutschlands aufhalten, die Sprache und Kultur kennenlernen und einen Einblick in die Vielfalt der deutschen Gesellschaft erhalten. Ein besonderer Aspekt ist dabei die Beschäftigung mit der Geschichte des Landes.
Auch 2024 wird eine solche Projektaktion organisiert: am 3. Oktober findet ein Stolperstein-Rundgang im Zentrum von Magdeburg statt.
Die 27 verlegten Stolpersteine für die Zirkusfamilie Blumenfeld verdeutlichen dabei besonders anschaulich die Dimension des Holocaust in den Familien, Familienverbünden und der jüdischen Gemeinschaft Magdeburgs.
In Gruppen, unterstützt von deutschen Betreuern, werden die Jugendlichen die Stolpersteine aufsuchen, putzen und - mit Informationen aus den vorliegenden Gedenkblättern bedacht – der Betroffenen gedenken. Zum Abschluss werden in der Gruppe Reaktionen der Öffentlichkeit reflektiert.
Der Rotaract Klub Magdeburg ist Partner im Netzwerk der AG „Stolpersteine für Magdeburg“, das die Verlegestellen von Stolpersteinen in der Stadt betreut und pflegt.
Weitere Informationen:
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Stolpersteine für Magdeburg: 41. Verlegung am 8. August 2024
Am 8. August, 15:00 Uhr werden in Magdeburgs Altstadt, am Synagogenmahnmal, Stolpersteine für den jüdischen Religionslehrer Rudolf Rosenberg, seine Frau Gerta und ihre Kinder Hans Meinhard (John) und Horst Michael (Harry) verlegt.
Rudolf Rosenberg, geboren am 8. Mai 1901 in Leer/Ostfriesland, war von 1930 bis 1938 Religionslehrer in Magdeburg. Mit seiner Familie wohnt er ab 1933 im jüdischen Gemeindehaus in der Großen Schulstraße 2c, neben der Synagoge. Er wird am 10. November 1938, wie viele jüdische Männer, verhaftet und am nächsten Tag in das KZ Buchenwald verschleppt. Anfang 1939 flieht die ganze Familie in die Niederlande und von dort kurz vor dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht in die USA. Viele Angehörige der Familie, so die Mutter und drei Geschwister von Rudolf Rosenberg, werden von den Nazis ermordet. Rudolf Rosenberg stirbt 1988, seine Frau Gerta Rosenberg, geborene Schubach, 1911 in Idar-Oberstein geboren, 2011. Die in Magdeburg geborenen Söhne Hans Meinhard (John) (* 1931) und Horst Michael (Harry) (* 1936) studieren und werden Rechtsanwalt und Demograph. Die 1946 in den USA 1946 geborene Tochter Theresa Joan studiert gleichfalls, wird Architektin und Juristin.
Zur Stolperstein-Verlegung werden sieben Angehörige aus den USA anreisen, darunter John (93) und Harry Rosenberg (88).
Einladung zum Gespräch mit Dr. John M. Rosenberg und Famiienangehörigen am Donnerstag, dem 8. August um 17:00 Uhr Neue Synagoge Magdeburg, Kiddusch-Saal Anmeldung erforderlich! |
Zuvor werden um 14:15 Uhr in Magdeburg-Brückfeld, nahe dem Heumarkt, Stolpersteine für Ruchla Sieradzki und ihre Tochter Senta verlegt. Sie ist nach Ewa Lewniowski eine weitere Magdeburger Marktfrau, der mit einem Stolperstein gedacht werden soll.
Sie wird als Ruchla Korpel am 16. Januar 1896 in Stryków, einer 15 km nordöstlich von Łódź gelegenen Kleinstadt geboren, die von der Textilindustrie geprägt wird und sich aufgrund der Nähe zu Łódź nicht recht entwickeln kann. Seit 1815 gehört das Gebiet zum unter russischer Kontrolle stehenden Kongresspolen. Ihre Eltern sind Hagar und Josef (Yossef) Korpel. Der Vater ist Lehrer am Ort, Ruchla ist das zweitälteste Kind, neben ihr gibt es die Geschwister Jorinusen (geb. 1893), Bina (geb. 1898), Gabrjel (geb. 1900), Fiszel (geb. 1902) und Pesa (1905).
Wann sie ihre Heimat verlässt, ist nicht bekannt, auch nicht, wann die Eheschließung mit dem Kaufmann Moritz Sieradzki erfolgt. 1920 wird das Paar erstmals in Magdeburg in der Cracauer Str. 9 wohnhaft erwähnt – aus traurigem Anlass, denn die am 24. Februar geborene Tochter Hilda verstirbt wenige Tage nach der Geburt in der Landes-Frauenklinik.
Warum die Ansiedlung in Magdeburg erfolgt, kann damit zusammenhängen, dass Moritz Sieradzkis Bruder, der Schneider Karl Sieradzki, mit seiner Familie schon längere Zeit am Ort wohnt, in der Albrechtstr. 8.
Das Ehepaar erwirbt 1924 einen halben Anteil an Haus und Grundstück Cracauer Str. 9 und bewohnt dort drei Zimmer mit Küche, kann bald Hausbesitz in der Roten Krebsstr. 17 (mit 14 Wohnungen) erwerben, Ruchla Sieradzki beginnt, sich als Markthändlerin mit Textilwaren zu etablieren. Am 23. März 1924 kommt in Magdeburg die Tochter Senta zur Welt. Ob sie jemals ihren leiblichen Vater kennen lernt, ist ungewiss, denn Moritz Sieradzki entschließt sich im gleichen Jahr, Deutschland zu verlassen und in die USA auszuwandern – womöglich folgt er dem Bruder Laurentius/Lawrence, der seit 1892 mit seiner Familie in Michigan lebt.
Ruchla Sieradzki ist nun allein für die Sicherung des Lebensunterhalts der Zurückbleibenden verantwortlich. Zweimal in der Woche ist sie mit ihrem Marktstand auf dem Alten Markt präsent, außerdem auf größeren Märkten und Messen, so in Braunschweig, Goslar, Hannover und Leipzig. Natürlich wird sich mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten ihr Leben nachhaltig verändern, zunächst für die Tochter Senta, die 1935 wegen ihrer jüdischen Herkunft nicht länger die Editha-Schule besuchen darf. 1937 muss Ruchla Sieradzki ihren Markthandel aufgeben und ist gewungen, ihren Hausbesitz zu veräußern, um das Auskommen zu sichern. Im gleichen Jahr wird Moritz Sieradzki vom Amtsgericht Magdeburg für tot erklärt und Ruchla Sieradzki nimmt ihren Mädchennamen Korpel wieder an.
Doch nichts wird mehr gut: Vom 17. Juni bis zum 18. August 1939 wird Ruchla Korpel, die nun als staatenlos gilt, erstmalig im Polizeigefängnis Magdeburg inhaftiert. Nach der Freilassung entschliesst sie sich schwersten Herzens die Tochter einem Kindertransport nach England anzuvertrauen, mit dem diese noch im August das Land verlassen kann. Schon erfolgt für Ruchla die nächste Haft: vom 10. bis 15. September 1939 hält man sie im Polizeigefängnis fest, ab Mitte Oktober 1940 im Gerichtsgefängnis Magdeburg, ehe sie am 11. Juli 1942 ins Vernichtungslager Auschwitz deportiert und dort ermordet wird.
Senta Sieradzki überlebt die Zeit des Nationalsozialismus. Sie bleibt nicht in England. Am 8. Mai 1945 reist sie nach São Paulo (Brasilien) aus, wo sie heiratet und mit ihrem Ehemann Isaac Sendacz vier Kinder, Gerson, Nelson, Moshé und Beverly, hat. Sie stirbt am 26. Mai 2021.
Magdeburger Stolpersteine 2.0: Recherchiert, gespendet, verlegt -
und in Patenschaft genommen
Seit 2007 werden in Magdeburg Stolpersteine für Opfer des NS-Systems verlegt. Ein Stadtratsbeschluss ebnete 2006 den Weg für eine Entwicklung, die Ende 2024 zu fast 800 verlegten Stolpersteinen führen wird.
Die Gedenkblätter, die für jede Verlegung erstellt werden, sind im Magdeburger Gedenkbuch zusammen geführt, das im Eike-von-Repgow-Saal des Rathauses ausliegt. Außerdem sind sie über die Website der Landeshauptstadt unter www.magdeburg.de zugänglich.
Die Kosten für die Stolpersteine werden durch Spenden erwirtschaftet. Wer sich daran beteiligen möchte, ist herzlich eingeladen!
Spendenkonto „Stolpersteine“, Landeshauptstadt Magdeburg, Sparkasse Magdeburg, IBAN DE02 8105 3272 0014 0001 01, BIC NOLADE21MDG, Verwendungszweck „37994311/Stolpersteine“ (Bitte Adresse für Benachrichtigungen und Spendenbescheinigung mitteilen!)
Die Bevölkerung der Stadt und Nachfahren der Opfer ebenso wie ehemalige Magdeburgerinnen und Magdeburger sind von Anbeginn aufmerksame und überaus interessierte Partner der städtischen Arbeitsgruppe „Stolpersteine für Magdeburg“, die die Fäden des Prozesses in ihren Händen hält, unterstützt vom Kulturbüro der Stadt und dem Tiefbauamt.
Was geschieht nach den Verlegungen?
2022 wurde das Netzwerk der Dauerpaten für die Magdeburger Stolpersteine ins Leben gerufen. Für die überwiegende Zahl der mittlerweile 253 Verlegestellen im Stadtbereich haben sich Paten - Akteure aus der breiten Zivilgesellschaft wie Projekte an Schulen, Kirchengemeinden, Gewerkschaften, Institutionen sowie Einzelpersonen und Familien - gefunden, die die Verlegestellen regelmäßig aufsuchen, die Stolpersteine putzen und den Besuch als Anlass zum Gedenken betrachten. Alle Paten sind innerhalb des Netzwerks aktiv eingebunden und erhalten halbjährlich einen Newsletter, der über aktuelle Entwicklungen, Termine und thematische Verknüpfungen zu Veranstaltungen (z.B. koordinierte Putztermine, Besuche von Gästen, Lesungen u.a.) informiert. Bei Interesse erhalten die Paten ein Zertifikat der AG für eine Dokumentation ihres Engagements in ihren jeweiligen Einrichtungen.
Peter Wetzel, der für die AG „Stolpersteine für Magdeburg“ das Netzwerk betreut: „Die 238 vergebenen Verlegestellen liegen in den Händen von 97 verschiedenen Patinnen und Paten aus unserer Stadt. Das betrachten wir als ein starkes Signal zivilgesellschaftlicher Unterstützung des Stolperstein-Konzepts von Gunter Demnig und der Tätigkeit unserer AG Stolpersteine für Magdeburg.“ Interessentinnen und Interessenten an einer Patenschaft sind herzlich willkommen: Peter Wetzel, Mobil: 0162/7862971, E-Mail:
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Verfolgt wegen „Rassenschande“: Das Menschlichste des Menschlichen wird zum Straftatbestand - Magdeburger Schicksale
Am 15. September 1935 erließ der Reichstag in Nürnberg während des 7. Reichsparteitags das "Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre" (www.1000dokumente.de/), auch als „Blutschutzgesetz“ bezeichnet, das fortan unter dem Propagandabegriff der „Rassenschande“ als Delikt die Beziehungen zwischen jüdischen und nichtjüdischen Deutschen diskriminierte und unter Strafe stellte. So untersagte das Gesetz die Eheschließung zwischen Jüdinnen und Juden und "Staatsangehörigen deutschen oder artverwandten Blutes" und sah bei Zuwiderhandlungen Zuchthausstrafen vor. Auch der außereheliche Geschlechtsverkehr zwischen Juden und Nichtjuden wurde unter Strafe gestellt. Jüdinnen und Juden wurde es zudem untersagt, „weibliche Staatsangehörige deutschen oder artverwandten Blutes unter 45 Jahren“ in ihren Haushalten zu beschäftigen.
Zwischen 1935 und 1945 wurden insgesamt rund 15.000 Ermittlungsverfahren wegen „Rassenschande“ - überwiegend nach Denunziationen von Nachbarn - eingeleitet und 2.211 Männer verurteilt. Doch auch Frauen wurden bestraft, etwa mit sogenannter Schutzhaft, Ausbürgerung und Deportation. Erst am 25. August 1998 wurden die Urteile aufgehoben, die aufgrund des „Blutschutzgesetzes“ verhängt wurden.
Hintergrund Seit der Einführung der Zivilehe im Jahr 1875 war die Anzahl gemischt heiratender Juden in Deutschland beträchtlich gewachsen und von 1901 bis 1932 um das Dreifache angestiegen. Allerdings blieb umstritten, ob die „Mischehe“ als Assimilation (wie von Richard Dehmel, Alfred Ploetz und Heinrich von Treitschke postuliert), oder als „Verunreinigung des nordischen Menschen“ (wie von Eugen Dühring und Werner Sombart befürchtet) anzusehen sei. Als schärfste Propagandisten der „Sünde wider das Blut“ gelten Houston Stewart Chamberlain und Artur Dinter. Dinters 1918 erschienener gleichnamiger Roman erzielte innerhalb von zehn Jahren eine Auflage von mehr als 250.000 Exemplaren. Auch der Einsatz „farbiger“ Soldaten im Zuge der Besetzung des Rheinlandes durch französische Truppen nach dem Ersten Weltkrieg gab der Diskussion über die Bedrohung der Deutschen durch externe Fremde neue Nahrung. Weit vor der Verkündung des „Blutschutzgesetzes“ kam es in deutschen Städten zu öffentlichen Anprangerungen einzelner jüdischer Männer oder „deutsch-jüdischer“ Paare. In „Prangerumzügen“ oder „Prangerfesten“ wurden kahlgeschorene Delinquenten in prozessionsartigen Demonstrationszügen durch die Stadt geführt, die Juden wurden gezwungen, „Narrenkappen“ mit der Aufschrift „Rassenschänder“ zu tragen. Alexandra Przyrembel konstatiert fünf Bedeutungsebenen dieser Umzüge: Sie verfolgten 1. das Ziel, „deutsch-jüdische“ Beziehungen zu ächten und ein gesetzliches Verbot der Ehen und Liebesverhältnisse durchzusetzen, sie prägten 2. das Bild vom männlichen jüdischen „Rassenschänder“ und der von ihm verführten „deutschblütigen“ Frau, sie trugen 3. als Moment antisemitischer Gewalt zur Dehumanisierung des Einzelnen im öffentlichen Raum bei, sie waren 4. öffentliches Spektakel, mit dem breitere Bevölkerungsschichten in den Stigmatisierungsprozess eingebunden wurden und ermöglichten 5. das Ausleben von Freude an der Gewalt. (Vgl. Przyrembel, Alexandra: Rassenschande. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2003, S. 70-71) |
Einige der im Rahmen der Forschungen der städtischen AG „Stolpersteine für Magdeburg" ermittelten Schicksale Betroffener werden im Folgenden dargestellt:
David Apter, Vertreter für Weingroßhandlungen, lernt 1912 in Magdeburg die Schneiderin Elisabeth Auguste Graun kennen. Seine Bemühungen, sich von seiner Ehefrau Johanna scheiden zu lassen, scheitern. Als sie 1932 stirbt und Elisabeth Graun 1935 aus der evangelischen Kirche austritt, ist es für eine Eheschließung zwischen beiden zu spät: das „Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre („Blutschutzgesetz“), verbietet Eheschließungen zwischen „Deutschblütigen“ und Juden und stellt außereheliche Beziehungen zwischen ihnen als „Rassenschande“ unter Strafe. Am 28. Oktober 1938 wird David Apter eines der Opfer der so genannten „Polenaktion“. Am 27. Juli 1939 erhält er die Erlaubnis zur Rückkehr nach Magdeburg, um seine Geschäfte zu regeln. Allerdings wird er am 9. September 1939 verhaftet und in die Heilanstalt Jerichow, Krs. Genthin, eingeliefert. Dort stirbt er am 29. Februar 1940. www.magdeburg.de/
Der Kaufmann Markus Augenreich, Vater eines unehelichen Kindes, wird 1935 wegen „Rassenschande“ verfolgt und flieht nach Polen. Wie seine Schwester Rosa, die am 14. April 1942 von Magdeburg aus in das Ghetto Warschau deportiert wird, gilt er als verschollen. www.magdeburg.de/
Dr. med. Erich Böhm wird am 8. Juli 1938 in Magdeburg inhaftiert. Am 26. August 1938 kommt es zur Eröffnung eines Strafverfahrens gegen ihn vor der großen Strafkammer des Landgerichts IV. Ihm wird vom Staatsanwalt vorgeworfen, mit Lilly Rothe, „einer Staatsangehörigen deutschen Blutes” außerehelich verkehrt und sie in seinem Haushalt beschäftigt zu haben, was nach Inkrafttreten der Rassegesetze als strafbar gilt. Dr. Erich Böhm steht zu seiner Freundin. In den Gerichtsunterlagen heißt es: „... Die Kraft, sich zu lösen, habe er nicht gefunden ...“. Am 4. Oktober 1938 wird er zu zwei Jahren Zuchthaus wegen „Rassenschande“ verurteilt. Er verbüßt die Strafe vom 4. Oktober 1938 bis zum 4. August 1940 (2 Monate Untersuchungshaft werden ihm angerechnet) im Zuchthaus Coswig. Seine Bestallung als Arzt erlischt am 13. Oktober 1938. Er erhält ein Visum nach Shanghai, wo er am 24. November 1943 stirbt. www.magdeburg.de/
Albert Hirschland, Diplomkaufmann und Handelslehrer, wird am 28. April 1935 verhaftet und Zielscheibe eine der übelsten, deutschlandweit verbreiteten Hetz- und Schmutzkampagnen des berüchtigten Nazi-Blattes „Der Stürmer“ gegen einen Juden. Nach einem zweitägigen Prozess wird Albert Hirschland am 19. Juni 1935 „wegen Sittlichkeitsverbrechen in 5 Fällen zu einer Gesamtzuchthausstrafe von 10 Jahren und zu 10 Jahren Ehrverlust verurteilt. Außerdem wird Sicherheitsverwahrung ausgesprochen“. Die Zuchthausstrafe verbüsst er zunächst im Zuchthaus Brandenburg, aber schon bald verbringt man ihn zur sogenannten „Sicherheitsverwahrung“ in das KZ Auschwitz, wo er am 18. Februar 1943 ermordet wird. www.magdeburg.de/
Auch Max Katzmann und seine nichtjüdische Partnerin Margarethe Ballerstein sind von den Nürnberger Gesetzen betroffen. Sie emigrieren im Dezember 1935 nach Riga und heiraten dort. Als das Baltikum infolge des Hitler-Stalin-Paktes an die Sowjetunion fällt und die deutsche Wehrmacht die Sowjetunion überfällt, gelten sie als feindliche Ausländer. Wie viele andere Deutsche werden sie 1941 in ein Arbeitslager nach Sibirien transportiert, ab 1943 sind sie in Karaganda in Kasachstan. Margarethe Katzmann berichtet später, sie sei dort als Sekretärin und Pflegerin eingesetzt worden. Sie kehrt als Witwe 1947 nach Deutschland zurück, Max Katzmann ist in Sibirien oder Kasachstan verstorben. www.magdeburg.de/
Erich Petzall, nach der Schule und verschiedenen Beschäftigungen und Ausbildungen im kaufmännischen Bereich von 1912 bis 1920 in den USA, ist er ab 1922 einer der Prokuristen des Magdeburger Kaufhauses „Gebrüder Barasch“. Als Anfang Dezember 1935 die Magdeburger Staatspolizei den Hinweis erhält, dass mehrere leitende männliche Mitarbeiter des Kaufhauses „schwerwiegende moralische Unanständigkeiten“ gegenüber weiblichen Angestellten begangen hätten, gehört er zusammen mit dem Personalchef Julius Fischel, Isidor Gans, Rudolf Friedländer und dem Hotelier August Oehm zu den Verhafteten. Auch der in der Seidenabteilung des Hauses beschäftigte Werner Heymann gerät in Schwierigkeiten. Alle involvierten männlichen Angestellten des Kaufhauses sind Juden, alle benannten vermeintlichen Opfer nichtjüdische Frauen. Erich Petzall wird unter dem Vorwurf der „Rassenschande“ angeklagt, aber - wie Rudolf Friedländer - freigesprochen, 1936 verlässt er Deutschland und emigriert in die USA. Julius Fischl wird zu vier Jahren Gefängnis, Isidor Gans zu einem Jahr und August Oehm zu fünf Monaten Gefängnis verurteilt. Am 12. Dezember 1935 wird die Schließung des Kaufhauses angeordnet und der Eigentümer Hermann Broder von der Polizei darüber informiert, dass er das Geschäft am 14. Dezember wiedereröffnen könne, sofern alle leitenden Angestellten einschließlich der Beschuldigten durch „arisches“ Personal ersetzt werden. Hermann Broder kommt dieser Aufforderung nach. Das Kaufhaus wird von einem Konkursverwalter und NSDAP-Mitglied übernommen, 1936 kauft es der nichtjüdische Kaufmann W. Lemke aus Kolberg. www.magdeburg.de/
Gegen Walter Windmüller, Vertretungsreisender für Radiogeräte und ab 1932 in Magdeburg, ermittelt im Juni 1936 die Polizei wegen „Rassenschande“, denn er lebt mit einer nichtjüdischen Arbeiterin zusammen. Ihre Absicht zu heiraten zerschlägt sich nach Inkrafttreten der Nürnberger Rassengesetze. Die beiden trennen sich und die Ermittlungen werden mit einer Verwarnung eingestellt. Im November 1937 wird er wegen ausbleibender Unterhaltszahlungen zu einer sechswöchigen Haftstrafe verurteilt, bald darauf im Rahmen der so genannten „Aktion Arbeitsscheu Reich“ in polizeiliche Vorbeugehaft genommen und in das KZ Sachsenhausen überstellt. 1942 kommt er in das KZ Auschwitz III. Am 21. September 1943 wird er dort - nach schweren Misshandlungen - erschossen. www.magdeburg.de/
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Letzte Hoffnung Shanghai: Die Flucht jüdischer Magdeburger in die Drachenkopf-Metropole
Nachdem die Internationale Konferenz von Évian im Juli 1938, die die Aufnahme von Flüchtlingen regeln sollte, ergebnislos endete, verblieb Shanghai für viele der einzige Ort weltweit, der ohne Quotierung noch Flüchtlinge aufnahm.
Die Stadt war zwar seit 1937 japanisches Besatzungsgebiet, doch es gab Stadtgebiete, die der japanischen Herrschaft nicht unterstanden. Da die chinesische Nationalregierung weiterregierte und bis 1941 auch von Deutschland diplomatisch anerkannt war, stellten ihre Konsulate weiterhin Visa für ganz China aus, so auch für Shanghai.
Mehr als 20.000 deutschen und österreichischen Juden gelang es so nach den Novemberpogromen 1938, sich für die Ausreise chinesische Visa zu beschaffen - was vielfach auch die einzige Möglichkeit war, aus dem Konzentrationslager entlassen zu werden - und nach China zu entkommen.
In Shanghai ergaben sich Möglichkeiten, sich Arbeit zu suchen und unter äußerst kärglichen Bedingungen das Dasein zu fristen. Allerdings drängte die NS-Regierung Japan, die Juden in Shanghai in Lagern zu konzentrieren und auszuliefern. So wurde am 18. Februar 1943 eine so genannte „Designated Area“ im Stadtteil Hongkou geschaffen, in die sämtliche jüdischen Flüchtlinge umzusiedeln hatten, die nach 1937 nach Shanghai gekommen waren.
Zum Kriegsende mussten die Flüchtlinge bis September 1945 auf ihre Befreiung warten, während sich ihre Lebensbedingungen aufgrund anhaltend unzureichender Lebensmittelversorgung und grassierender Epidemien dramatisch verschlechterten.
Im Rahmen seiner langjährigen Arbeit als Vorsitzender der Merseburger Geschichtswerkstatt hatte Peter Wetzel, aktuell Mitglied der städtischen Arbeitsgruppe „Stolpersteine für Magdeburg“, Kontakt zu chinesischen Studierenden an der Fachhochschule Merseburg. Die Flucht jüdischer Menschen angesichts massiver Verfolgung unter dem NS-Regime aus Merseburg nach Shanghai war ein berührendes Thema des gemeinsamen Gedankenaustausches. Nach der Rückkehr in die Heimat lösten die Studierenden das Versprechen ein, die heute in Shanghai noch sichtbaren Spuren des Aufenthalts jüdischer Flüchtlinge und deren zeitweiliger Ghettoisierung fotografisch zu dokumentieren.
Die vorliegende Fotodokumentation ist uns Anlass, an die jüdischen Mitbürger Magdeburgs zu erinnern, die - soweit bekannt - nach Shanghai flüchteten.
Schicksale
Fritz Bernhardt entstammt einer Magdeburger Kaufmannsfamilie, sein Vater Georg war Inhaber einer Großhandlung für Seidenband-, Weiß-, Putz- und Wollwaren. 1941 wird die Familie zwangsweise in der Judenhaus Westendstr. 9 eingewiesen, Georg Bernhardt nach Theresienstadt deportiert, wo der 80-Jährige schon 10 Tage nach seiner Ankunft am 28. November 1942 stirbt. Fritz Bernhardt, im 1. Weltkrieg Soldat und dem „Reichsbund jüdischer Frontkämpfer“ angehörend, ist Kaufmann in der väterlichen Großhandlung. Ihm gelingt die Flucht nach Shanghai, wo er an Flecktyphus erkrankt und an den Folgen der Krankheit am 4. April 1942 verstirbt. www.magdeburg.de/
Dr. med. Erich Böhm, Militärarzt im 1. Weltkrieg, lebt seit 1921 als Praktischer Arzt in Magdeburg - zusammen mit seinen unverheirateten Schwestern Margarete und Elly. Die Beziehung Böhms zu der Hauswirtschafterin Lilly Rothe führt am 8. Juni 1938 zu seiner Inhaftierung und zur Eröffnung eines Strafverfahrens wegen Rassenschande. Böhm wird zu zwei Jahren Zuchthaus verurteilt, die er im Zuchthaus Coswig absitzt, seine Approbation als Arzt erlischt am 13. Oktober 1938. Am 4. August 1940 entlassen, kann Böhm nach Shanghais ausreisen, wo er am 24. November 1943 stirbt. Margarethe und Elly Böhm werden am 13./14. April 1942 in das Ghetto Warschau und von dort in das Vernichtungslager Treblinka deportiert. www.magdeburg.de/
Edith Clara Crohn, geb. Haas, und der Bankkaufmann Paul Crohn wohnen in Magdeburg östlich der Elbe, Oststraße 6. Paul Crohn ist in der Firma seines Schwiegervaters, einem Eisen-, Metall- und Maschinenhandel, tätig. Die Eheleute haben zwei Söhne, Ernst Erich und Moritz, und engagieren sich für die zionistische Idee und die Sozialdemokratie. Während der Sohn Ernst Erich 1936 nach Palästina flüchten kann, wird Paul Crohn am 10. November 1938 in Berlin verhaftet und in das KZ Sachsenhausen verschleppt. Nach seiner Freilassung gelingt es den Eltern, den Sohn Moritz bei einem Kindertransport nach England unter zu bringen, sie selbst können mit dem Schiff „Marburg“ nach Shanghai entkommen. Dort stirbt Edith Clara Crohn am 24. Dezember 1941 an Unterernährung und fehlender medizinischer Versorgung, Paul Crohn, der nach dem 18. Februar 1943 auf Befehl der japanischen Besatzungsmacht in das Ghetto von Shanghai umziehen muss, am 8. Januar 1945. www.magdeburg.de/
Meta Friedmann eröffnet 1911 in Magdeburg mit einer Freundin die Firma „Friedmann & Koch, Kurz-, Putz- und Weißwaren“. 1919 heiratet sie Markus Pels, Großhändler für Leder und Lederabfälle, später Generalvertreter für Schuhwaren, zwei Kinder, Manfred und Estella, kommen zur Welt. Am 10. November 1938 wird Markus Pels verhaftet und in das KZ Buchenwald deportiert. Er kann freikommen und der Ehefrau, deren Eltern und Schwestern sowie der Tochter nach Italien folgen, von wo sie nach Shanghai gelangen. Meta Pels stirbt dort am 5. November 1942, im Mai 1943 müssen die verbleibenden Familienangehörigen in das Ghetto umziehen. 1947 gelingt ihnen die Ausreise in die USA, wo der Sohn inzwischen lebt. www.magdeburg.de/
Dem Kaufmann Alexander Safian und seiner Ehefrau Margarethe, geb. Schild, gelingt 1939 die Ausreise von Magdeburg und die Flucht nach Shanghai, wo Margarethe Safian am Vorabend ihres 56. Geburtstages am 14. Juni 1942 stirbt, Alexander Safian am 11. Januar 1947 mit 72 Jahren. www.magdeburg.de/
Die einzelnen, hier kurzgefasst dargestellten Schicksale sind in den zu den Betroffenen vorliegenden Gedenkblättern der AG „Stolpersteine für Magdeburg“ ausführlich dokumentiert: www.magdeburg.de/Stolpersteine/
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Magnet Magdeburg - Wie die Elbestadt Auswanderungsziel galizischer Juden wurde
oder
Der andauernde Verlust - Wie der Elbmetropole die Kreativität der galizischen Juden verloren ging
Referat gehalten am 29. November 2023 im Programm der „Festtage der jüdischen Kultur anlässlich der Eröffnung der Neuen Synagoge“ in Magdeburg im Forum Gestaltung
Übersicht
- Einleitung
- Kolomea - Ort des Aufbruchs
- Galizien als Teil der Habsburgermonarchie
- Judenfeindliche Gerüchte, antisemitische Hetze und Pogrome gehörten im Kronland zur Tagesordnung
- Ende und Aufbruch - Wohin?
- Das Magdeburger Recht – ein Positivum bei der Wahl des Auswanderungsziels?
- Magnet Magdeburg
- „Ostjuden“ - immer ein Thema
- Wie endeten galizische Juden aus Magdeburg?
- Welche Exilländer konnten erreicht werden?
- Magdeburger Juden im Kibbuz
- Schlussbemerkung
- Verwendete Literatur
- Internetquellen
Die Inspiration zu diesem Vortrag verdanke ich Frau Waltraut Zachhuber, Herrn Norbert Pohlmann herzlichen Dank für die Unterstützung und freundliche Aufnahme im Forum Gestaltung.
Ich bin - wenn Sie so wollen - einer fixen Idee gefolgt: im Verlauf der Recherchen für die AG „Stolpersteine für Magdeburg“, der ich angehöre, fiel der beträchtliche Anteil von Menschen jüdischer Herkunft, die aus Galizien stammen, auf. Im „Regelfall“ beziehen sich die biografischen Daten, die von uns ermittelt werden, auf das zeitweilige Leben in Magdeburg, nicht aber auf das Leben der Menschen in der ursprünglichen Heimat.
Was brachten sie mit, als sie nach Magdeburg kamen, welchen religiös-politischen Ansichten hingen sie an? Was waren die Gründe, ausgerechnet Magdeburg als „neue Heimat“ zu wählen? Und: Wie organisierten sich die aus Galizien stammenden Juden in Magdeburg selbst? Wie war ihr Verhältnis zur angestammten Bevölkerung jüdischer Herkunft vor Ort, wie schließlich ihr Schicksal im Verlauf nationalsozialistischer Verfolgung, ihr mögliches Überleben?
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Weiterlesen: Magnet Magdeburg - Wie die Elbestadt Auswanderungsziel galizischer Juden wurde
Als Juden verfolgt, verjagt, ermordet - Weitere Verlegung von Stolpersteinen in Magdeburg am 10. Oktober
Mit der nunmehr 38. Verlegung von Stolpersteinen am 10. Oktober gedenkt die Stadt Magdeburg erneut ihrer verfolgten, verjagten und ermordeten jüdischen Mitbürger. Es sind 19 Namen, an die damit erinnert werden soll und wie die städtische Arbeitsgruppe „Stolpersteine für Magdeburg“ mitteilt, wird Gunter Demnig, der Initiator der Stolpersteine, die Steine verlegen. Zu der Verlegung werden Angehörige der Familie Lerner und der Familie Rosenheck aus den USA anreisen: Reb Chaya Lerner und Ehefrau sowie Orlie und Gil Kraus, die Kinder von Gitta Tova Rosenheck, Gils Ehefrau Cynthia und die gemeinsame Tochter Hana.
Erinnert wird an:
9:00 Uhr |
Alwine Krone, geb. Ellenburg |
9:45 Uhr |
Emmy Meyer, geb. Reiss gesch. Mossgraber und Ernst Meyer |
10:15 Uhr |
Eva Lewniowski, geb. Drucker verw. Honik und Albert Lewniowski |
10:40 Uhr |
Anna Chana Rosenheck, geb. Feigenbaum, Emanuel Meir Rosenheck, Gitta Tova Rosenheck, Harald Zwi Rosenheck und Max Moshe Rosenheck |
11:10 Uhr |
Albert Hirschland |
11:40 Uhr |
Hella Lerner, Johanna Lerner, geb. Lastmann, Mitman Leo 'Luerowicz' Lerner und Ruth 'Jackie' Lerner |
12:15 Uhr |
Agnes Hanna Glogowski, geb. Pomplitz, Eva Glogowski, Helmut Glogowski und Josef Ernst Glogowski |
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Eine Stadt bekennt sich! 37. Verlegung von Stolpersteinen in Magdeburg
Mit der 37. Verlegung von Stolpersteinen gedenkt die Stadt Magdeburg am 31. August 2023 weiterer Opfer des Nationalsozialismus. An 12 Verlegeorten wird im Stadtgebiet an 26 verschleppte und ermordete Magdeburgerinnen und Magdeburger erinnert.
- Margarethe und Alexander Safian (Lüneburgerstr./Ecke Rollenhagenstraße, früher Lüneburgerstr. 2)
- Hertha Levi (Ernst-Lehmann-Str., nahe Pfälzer Platz, früher Pionierstr. 1)
- Chana, Gina, Toni, Moses Aaron und Salomon Neumann (Mühlenstraße 4/6, früher Große Storchstr. 9)
- Ernestine und Max Beer (vor dem Eingang der Jakobstr. 46, früher Große Storchstr. 13)
- Sofia und Samuel Margulies (vor dem Eingang Jakobstraße 52, früher Nr. 33)
- Fritz Ephraim Fischel, Leo Arie, Hilda Hinda und Hersch Hermann Zwi Schönwetter (schräg gegenüber der Großen Steinernetischstraße 6, früher Nr. 17)
- Paul Rinkel (vor dem Eingang Breiter Weg 32, früher Katharinenstr. 12)
- Margarete Zäge (Erzbergerstraße/Ecke Am Krökentor, früher Beaumontstr. 3)
- Rosa und Nathan Neumann (gegenüber vom Eingang Breiter Weg 111, früher Zschokkestr. 19)
- Felix Panke (Breiter Weg 128, früher Nr. 147)
- Philipp Lilienfeld (Einsteinstraße 10, früher Blumenthalstr. 10)
- Eva Charlotte Henriette, Leonie und Gustav Lewin sowie Heinz Walter Ferdinand Lewin-Guradze (Steubenallee 3, früher Sternallee 3)
(In vielen Fällen stimmen die für die Verlegung gewählten Adressen infolge der Zerstörungen durch den 2. Weltkrieg oder nachträglich geänderter Straßenführung nicht mehr mit den ursprünglichen Wohnadressen der Opfer überein.)
Gedenkblätter mit Informationen zu den Biografien der Opfer, die von der Arbeitsgruppe „Stolpersteine für Magdeburg" recherchiert wurden, finden sich unter www.magdeburg.de/.
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NS-Raubgut in öffentlichen Bibliotheken Sachsen-Anhalts - Ausstellung in der Stadtbibliothek Magdeburg
Die Stadtbibliothek Magdeburg eröffnet am 19. März die Ausstellung „Belastetes Erbe. Provenienzforschung zu NS-Raubgut in öffentlichen Bibliotheken Sachsen-Anhalts", die bis Ende November auf allen Etagen der Zentralbibliothek (Breiter Weg 109) zu den üblichen Öffnungszeiten (Mo - Fr 10-19 Uhr, Sa 10-13 Uhr) in Augenschein genommen werden kann.
Sie dokumentiert damit ein mehrjähriges wissenschaftliches Forschungsprojekt des Landesverbands Sachsen-Anhalt im Deutschen Bibliotheksverband e.V., das durch das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste und das Land Sachsen-Anhalt unterstützt wurde. Im Juli 2017 gestartet, hatten sich an diesem Projekt Bibliotheken in Dessau, Magdeburg, Sangerhausen, Wernigerode und Zerbst beteiligt. Kern der Projektarbeit war die Suche nach Büchern, die einstmals Juden und anderen Verfolgten des NS-Regimes gehörten, in den Beständen der beteiligten Bibliotheken. Vergleichbare Recherchen sind auch aus anderen Bundesländern, wie z.B. Niedersachsen ( Spuren der NS-Verfolgung - in Hannover) bekannt.
Was lange währt ...
Es entbehrt nicht einer gewissen Frustration sich zu verdeutlichen, dass Bemühungen, den auf der Grundlage rassistischer Gesetzgebungen im Nationalsozialismus staatlich organisierten Raub zu restituieren, immer noch derart zäh in praktische Maßnahmen umgesetzt werden: mit der so genannten „Londoner Erklärung" existiert seit 1943 die Grundlage für die Restitutionsregelungen der alliierten Besatzungsmächte in Deutschland. Entsprechende Rückerstattungsgesetze regelten seinerzeit allerdings Restitutionen und Wiedergutmachungen nur auf westdeutschem Territorium. Erst 1990 konnten nach dem Vermögensgesetz der DDR Ansprüche von Geschädigten für das ostdeutsche Gebiet geltend gemacht werden. Mit der „Washingtoner Erklärung" von 1998 einigten sich 44 Nationen darauf, Sammlungen und Bestände auf das Vorhandensein von NS-Raubgut zu überprüfen, identifizierte Objekte an die Opfer oder deren Erben zurück zu geben oder nach gerechten und fairen Lösungen zu suchen. Mit der Erklärung zur „Auffindung und Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz“ vom Dezember 1999 („Gemeinsame Erklärung“) haben sich Bund, Länder und kommunale Spitzenverbände zur Verwirklichung der Washingtoner Erklärung bekannt. Im Jahr 2000 wurde von der in Magdeburg angesiedelten Koordinierungsstelle die so genannte Lost Art-Datenbank online geschaltet ( www.lostart.de), durch die Such- und Fundmeldungen zugänglich werden. Über die Arbeitsstelle für Provenienzforschung (AfP) am Institut für Museumsforschung der Staatlichen Museen zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz setzte 2008 schließlich die staatlich finanzierte Unterstützung der Provenienzforschung ein. Ab 2012 wurden sukzessive in mehreren Bundesländern erste feste Stellen für Provenienzforscher eingerichtet und 2015 die Stiftung Deutsches Zentrum für Kulturgutverluste mit Sitz in Magdeburg gegründet.
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Stolpersteine für Magdeburg - 35. Verlegung am 26. September 2022
2010 wurde der oben abgebildete Stolperstein für Lydia Hamlet in der Magdeburger Denhardtstr. auf dem Gelände der Otto-von-Guericke Universität verlegt - dort wo früher das im 2. Weltkrieg zerstörte Haus Königgrätzer Str. 5 stand. Seit 1935 lebte der Bankkaufmann Sally Hamlet mit seiner Frau Lydia darin, 1940 wurden beide daraus vertrieben. Sally Hamlet starb kurz darauf, Lydia Hamlet wurde 1942 in das Ghetto Warschau deportiert und später in Treblinka ermordet. Eigentümer und Mitbewohner des Hauses war Salomon Hornig, an den mit der 35. Stolpersteinverlegung in Magdeburg am Mittwoch, 26. September 2022, erinnert werden soll. An der Verlegung, zu der die städtische Arbeitsgruppe „Stolpersteine für Magdeburg“ beim Kulturbüro der Landeshauptstadt alle Interessierten einlädt, werden auch Angehörige der Opfer, derer gedacht wird, teilnehmen. Gunter Demnig, der Initiator der Stolperstein-Initiative, wird die Verlegungen vornehmen.
Weitere Informationen: Einladungsflyer (pdf-Datei, 541 KB)
Der Verlegeplan am 26. September in Magdeburg
09.00 Uhr | Bernhardine, Edith, Pia und Hermann (Hersch) Hart, Mittelstr. 48 |
09.30 Uhr | David Apter, Sieverstorstr. 40 |
09.50 Uhr | Nathan Kalter, Wittenberger Str. 28 |
10.10 Uhr | Hermine Katzenstein, Ernst-Lehmann-Str. 19 (früher Pionierstr. 4) |
10.30 Uhr | Salomon Hornig, Denhardtstr./Uni-Gelände (früher Königgrätzer St. 5) |
10.50 Uhr | Friederike Winterfeld, Breiter Weg 109 (gegenüber der Stadtbibliothek, früher Breiter Weg 100) |
11.10 Uhr | Rosa Ruchel Hochberg, Peterstr. 2 (früher Tischlerkrugstr. 9) |
11.30 Uhr | Beila Berta, Izak Leib, Moses Max und Ruth Hagen, gegenüber Faßlochsberg 7 (früher Faßlochsberg 15) |
12.00 Uhr | Sara Leja und Saja Leib Kahan, Faßlochsberg 31 (früher Kameelstr. 21) |
12.30 Uhr | Ida Heilbrun und Emma Rothenstein, Geißlerstr. 3 (früher Roonstr. 3) |
13.15 Uhr | Cilly, Ettla Netti und Heinz Hirschhorn, Karl-Schmidt-Str. 62 (früher Feldstr. 62) |
13.35 Uhr | Rosa Goldmann, Adelheidring 21 |
13.55 Uhr | Helene Amalie, Ingrid und Paul Greve, Freiliggrathstr. 1 |
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34. Verlegung von Stolpersteinen in Magdeburg am 8. Juni 2022
Wie die städtische Arbeitsgruppe „Stolpersteine für Magdeburg“ beim Kulturbüro der Landeshauptstadt mitteilt, wird am Mittwoch, dem 8. Juni 2022, eine weitere Stolpersteinverlegung in der Stadt stattfinden, an der auch Angehörige der Opfer, deren gedacht wird, aus den USA und Israel teilnehmen werden.
Der Verlegeplan am 8. Juni
09.00 Uhr | Ruth Mühlmann, Walbecker Str. 37 ( Video, Offener Kanal Magdeburg, 15:05 Min.) |
09.30 Uhr | Georg, Isidor, Pauline und Sigmund Lippmann, Schöninger Str. 27a |
09.50 Uhr | Robert Lopian, St. Michael-Str. 57 |
10.10 Uhr | Alfred Michel und Margarete Herrmann sowie Marie Valesca Asch, Schneidersgarten 2 |
10.40 Uhr | Henoch Heinrich, Meier Wolfgang, Suzanne und Taube Antonia Keller, Schleinufer 20 (früher Fürstenufer 20) |
11.10 Uhr | Beile Bela, Jacob, Margareta Margot und Moshe Manfried Erreich, Johannisbergstr., gegenüber der Johanniskirche (früher Johannisbergstr. 7b) |
11.35 Uhr | Eva Wiethaus, Kantstr./Osteingang City-Carre (früher OvG-Str. 16) |
11.55 Uhr | Frieda Cohn und Hedwig Zehden, Kantstr. 6, Westeingang City-Carre, neben dem Kino (früher Kantstr. 12) |
12.20 Uhr | Chemia und Rosa Brustawitzki, Brandenburger Str. 2a ( Video, Offener Kanal Magdeburg, 18:29 Min.) |
12.55 Uhr | Ester und Khaim Imbermann, Bei der Hauptwache/Ecke Julius-Bremer-Str. (früher Neuer Weg 18) |
13.15 Uhr | Minna und Schimon Weinber, Jakobstraße/nahe Johanniskirch-Parkplatz (früher Spiegelbrücke 3) |
13.35 Uhr | Rosa Schaffranke, Jakobstraße, zwischen Nr. 22 und 28 (früher Jakobstr. 14) ( Video, Offener Kanal Magdeburg, 15:51 Min.) |
13.55 Uhr | Chaim Baruch, David und Helene Brustawitzki, Jakobstr., zwischen Nr. 28 und 34 ((früher Kleine Klosterstr. 2) |
14.35 Uhr | Edith, Ernst Erich, Moritz und Paul Crohn, nördlich Oststr. 1 (früher Oststr. 6) |
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Am 25. Mai 2022 werden im Stadtgebiet Hannovers wieder Stolpersteine verlegt
Das ZeitZentrum Zivilcourage der Stadt Hannover hat angekündigt, dass am 25. Mai erneut Stolpersteine von Gunter Demnig im Stadtgebiet verlegt werden. Die Verlegung der 30 Steine beginnt um 9.00 Uhr mit der Setzung von Stolpersteinen für Johanna und Dr. med. Sigmund Kohn vor dem Haus Limmerstr. 2D im Stadtbezirk Linden-Limmer.
Der am 14. Juli 1877 in Hohensalza (Provinz Posen, heute Inowrocław/Polen) geborene Sohn eines Rabbiners studierte Medizin in Breslau, Berlin und Freiburg, wo er im Januar 1903 das ärztliche Staatsexamen bestand, mit der Dissertation "Zur Kasuistik der mit Darmverletzung komplizierten Beckenfrakturen" promoviert wurde und die ärztliche Approbation erhielt. Anschließend arbeitete er an der Universitäts-Kinderklinik in Berlin.
Seit 1907 war Dr. Kohn in Hannover-Linden als Praktischer Arzt und Kinderarzt im Haus Limmerstr. 2 D tätig. Am 10. August 1914 heiratete er in Hamburg die am 24. September 1889 dort geborene Johanna Cohn. Am 15. Mai 1915 wurde in Hannover die Tochter Ursula geboren, drei Jahre später, am 8. April 1918, die Tochter Ilse Ludovica.
Nach 1938 wurde Dr. Kohn die weitere Berufsausübung gestattet. Im September 1941 wurden seine Ehefrau und er in das "Judenhaus" Wunstorfer Str. 16 A eingewiesen, im Oktober in das Jüdische Krankenhaus Ellernstr. 16, im Februar 1942 schließlich in das Massenquartier in der Gartenbauschule Ahlem. Dort nahm sich Dr. Sigmund Kohn am 14. Februar 1942 das Leben. Johanna Kohn wurde am 31. März 1942 in das Warschauer Ghetto verschleppt und gilt als verschollen.
Den Töchtern gelang es, aus Deutschland zu entkommen, Ursula Kohn, später Jonas, lebte bis zu ihrem Tod 1967 in Chile, Ilse Ludovica Kohn, später Ellis, verstarb 1981 in England.
Seit 2008 erinnert ein Denkmal im Ärztehaus Hannover an 15 hannoversche Ärztinnen und Ärzte, die durch den Naziterror den Tod fanden. Dr. Kohn ist einer von ihnen. Eine Broschüre, die in Kürze in neuer Auflage erscheinen soll, informiert über deren Schicksal im Detail http://netzwerk-erinnerungundzukunft.de/wp-content/uploads/2018/01/Juedische_Aerzte_Hannover.pdf. Das Denkmal soll nach Fertigstellung des Ärztehaus-Neubaus an der Berliner Allee 20 zum Ende des Jahres an prominenter Stelle seinen Platz finden.
Im Rahmen eines im Oktober 2020 gestarteten Projekts der Stadtbibliothek Hannover wurden die Zugänge der Bibliothek aus der Zeit 1933 bis 1945 (insgesamt 55.675 Inventarnummern) systematisch auf NS-Raubgut geprüft. Dabei konnte auch ein ursprünglich im Besitz von Dr. Sigmund Kohn befindliches Werk identifiziert werden, dass die Bibliothek 1946 aus Beständen des NSDAP-Gauarchivs Südhannover-Braunschweig "übernommen" hatte https://www.hannover.de/Leben-in-der-Region-Hannover/Bildung/Bibliotheken-Archive/Stadtbibliothek-Hannover/Wir-%C3%BCber-uns/Provenienzforschung-in-der-Stadtbibliothek-Hannover/Offene-F%C3%A4lle/Dr.-Sigmund-Kohn.
Die weiteren Stolpersteinverlegungen am 25. Mai 2022 in Hannover
In der Alemannstr. 18 im Stadtbezirk Vahrenwald-List wird gegen 9.35 Uhr ein Gedenkstein für den am 15. Januar 1943 hingerichteten Deserteur Karl-Heinz Bleifeld verlegt, um etwa 10 Uhr in der Vahrenwalder Str. 290 Stolpersteine für die jüdischen Familien Magnus, Rottenberg und Wolff. Es folgt um 10.40 Uhr in der Brahmsstr. 4 die Verlegung der Steine für Joseph und Friedel Schorsch, anschließend gegen 11.05 Uhr in der Bödekerstr. 100 für die Familien Simon und Grünenbaum.
Gegen 11.30 Uhr soll in der Seumestraße 1A die Stolpersteinverlegung für den Widerstandskämpfer Fritz Lohmeyer stattfinden, danach, um 11.55 Uhr, werden Steine für die Familien Rose und Golab in der Fundstr. 10 verlegt, in der Karmarschstr. 32 für die Familie Storch und zum Abschluss um 12.50 Uhr in der Hindenburgstr. für die Familie Loebenstein.
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Terroropfer = жертвы террора - Dokumentation der Schicksale deutschsprachiger Opfer der staatlichen Willkür im Machtbereich der UdSSR
"Terroropfer = жертвы террора" ist eine Dokumentation der Schicksale deutschsprachiger Opfer der staatlichen Willkür im Machtbereich der UdSSR. Dies sind vor allem Arbeiter und Spezialisten, die in die UdSSR zuwanderten sowie Politemigranten.
Wladislaw Hedeler errechnet in "Chronik der Moskauer Schauprozesse 1936, 1937 und 1938" (Berlin 2003, S. 277) allein für die Zeit zwischen August 1937 bis November 1938 eine Zahl von 556.360 außergerichtlichen Todesurteilen nach NKWD-Massenoperationen, als Opfer der so genannten "Deutschen-Operation" 41.898. Die geschätzt 4.600 Politemigranten in der Sowjetunion galten zu siebzig Prozent als der Spionage verdächtig und wurden entsprechend repressiert, 261 Erschießungen, 126 sonstige Todesfälle und 192 Auslieferungen an die Gestapo sind verbürgt (Stand 1997; vgl. Wilfriede Otto: Visionen zwischen Hoffnung und Täuschung. In: Thomas Klein, Wilfriede Otto u. Peter Grieder: Visionen. Teil I. Frankfurt/Oder 1996, S. 137-336).
zur Dokumentation "Terroropfer = жертвы террора"
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Bückeberg ist überall
Das stimmt natürlich nicht, denn den Bückeberg soll es in Deutschland nur viermal geben: einen bei Eschwege, einen bei Gernrode, einen als Teil der Bückeberge im Calenberger Bergland, das zum Landkreis Schaumburg gehört und schließlich einen bei Emmerthal im Landkreis Hameln-Pyrmont.
Um den Letztgenannten ist jüngst eine heftige Debatte entbrannt, war er doch zur Zeit des Nationalsozialismus Ort der von 1933 bis 1937 stattfindenden "Reichserntedankfeste", eine der größten Massenveranstaltungen der Faschisten, an der auch Adolf Hitler teilnahm.
Der nach den Plänen von Albert Speer gestaltete "Reichsthingplatz" mit Rednertribüne auf der einen Seite, Ehrentribüne auf der Anhöhe und dem dorthin führenden Mittel- oder "Führerweg", der mitten über den Platz führt, steht heute unter Denkmalschutz und soll zu einer Dokumentations- und Lernstätte umgestaltet werden.
Nach Ansicht von Experten ermöglicht eine solche Stätte, "Geschichte(n) zu erzählen, die einerseits sehr fremdartig anmuteten, andererseits aber auch Vertrautes enthielten und so auch Prozesse vorsichtiger Identifizierung und Selbstbefragung ermöglichten. An Orten wie dem Bückeberg sei Zugang zur NS-Thematik vergleichsweise leichter herzustellen als in KZ-Gedenkstätten" (Michele Baricelli), allerdings müsse "der Rückhalt in der Bevölkerung gesichert" (Stefan Küblböck) sein.
Und genau daran hapert es ganz heftig: Im März diesen Jahres stimmte der Kreistag des Landkreises Hameln-Pyrmont zwar mit einer knappen Mehrheit dem Konzept einer Dokumentations- und Lernstätte mit befestigten Wegen und Informationstafeln auf dem Bückeberg zu. Allerdings lehnte der Rat der Samtgemeinde Emmerthal das Vorhaben mehrheitlich ab.
Jüngst präsentierten die beteiligten Kommunalpolitiker einen "Kompromiss": Statt den Berg auf Hitlers Paradestrecke zu besteigen, sollen sich Besucher quasi von hinten direkt der Bergkuppe und damit dem Ort der Rednertribüne nähern. Der untere Bereich des 160 Meter hohen Berges wird nicht verändert, die Wege nicht befestigt, eine Wiese weiterhin landwirtschaftlich genutzt und schließlich soll ein Teil der geplanten Ausstellung in das nahegelegene Museum für Landarbeit und Landtechnik in Börry integriert werden. Ein Witz!
Das Konzept des Vereins für regionale Kultur- und Zeitgeschichte um den Historiker und Theologen Bernhard Gelderblom basierte aber gerade darauf, den Besuchern die Inszenierung der Nazis sinnfällig zu verdeutlichen: Der 800 Meter lange Anstieg vom Fuß des Berges - der in Emmerthal liegt - zur höher gelegenen Rednertribüne soll nun flach fallen und die Emmerthaler durch den Einstieg der Besucher an der Bergkuppe geschont werden.
Dabei scheuen die Gegner des Konzepts nicht davor zurück, fragwürdige Argumente ins Feld zu führen, wie das, dass man keine Wallfahrtstätte für Neonazis schaffen wolle (wie es das Winkler-Bad in Bad Nenndorf oder die Grabstätten der von den Briten hingerichteten Kriegsverbrecher in Hameln waren). Nun geht es bei dem Ereignisort des Reichserntedankfestes nicht um eine Stätte, die sich als eine des Martyriums von den Ewiggestrigen verwerten ließe, sondern vielmehr um einen erlebbaren Ort der Vereinigung von Volk und "Führer" - mit dem aber nach dem Willen der Ortsansässigen und Kommunalpolitiker nicht konfrontiert werden und das möglichst an die Peripherie verbannt bleiben soll. Dabei: Um wieviel leichter wäre es - wenn man dem ursprünglichen Plan folgte -, die Mechanismen der Massenbeeinflussung zu verstehen und ihnen womöglich - auch in ihrer aktuellen Ausprägung - zu widerstehen?
Keine Zeit für Zumutungen - wie es scheint. Nicht nur die Emmerthaler waren Zeugen und Teilnehmer des von den Nazis inszenierten Massenspektakels Reichserntedankfest: Bis zu 1,3 Millionen Menschen - sicher überwiegend bäuerlicher Herkunft - kamen auf dem Gelände zusammen. Das darf erzählt, damit darf man direkt konfrontiert werden, wobei sicher die Gedenkstätte Bergen-Belsen als anschauliches Beispiel für ein gelungenes Konzept dienen kann, sind doch auch dort Gräuel nur noch in Andeutungen sichtbar.
"Bückeberg ist überall" meint etwas anderes: Überall kann man in Zeiten von überbordendem Populismus dieses Zurückweichen vor dem vermeintlichen Volkswillen konstatieren, sei es im Bauhaus, in Chemnitz oder anderswo. Und das ist höchst unerfreulich.
Nicht nur dem passionierten Naturfreund sei übrigens angeraten, mindestens den Emmerthaler, aber auch den Schaumburger Bückeberg zu besuchen (meinetwegen auch die beiden anderen) und sich vor Ort ein Bild von Örtlichkeiten und den Befindlichkeiten der Anwohner zu verschaffen.
Auch in Schaumburg finden sich reichlich vergessene, eliminierte oder nur mit großen Mühen bezeichnete Orte. Man denke nur an das Synagogengebäude in Obernkirchen, das 1970 (!) abgerissen wurde. Zwölf Jahre warteten Antragsteller auf eine Tafel auf dem so genannten "Russenfriedhof" Am Horn in Rehren, 14 Jahre auf eine Informationstafel für die Zwangsarbeiter des Steinbruchs Steinbergen auf dem reformierten Friedhof in Bückeburg, 17 Jahre auf die Errichtung einer Gedenkstätte für die Zwangsarbeiter im Steinbruch selbst, gar 22 Jahre bis auf dem jüdischen Friedhof in Hattendorf eine Informationstafel für die Zwangsarbeiter im Auetal aufgestellt wurde.
Und auch das Vorhaben anders enden können als gedacht, weiss man im Schaumburgischen: Das ehemalige Synagogengebäude in Bückeburg "zierte" bis vor kurzem folgender Text: "Dieses Gebäude diente von seiner Erbauung 1866 bis zum 9.11.1938 als Synagoge." Geplant war: "Dieses Gebäude wurde 1866 als Synagoge erbaut. Mit dem 9.11.1938 erlosch das Leben der jüdischen Gemeinde Bückeburg. Das Schicksal der jüdischen Mitbürger mahne unser Gewissen an die Wahrung von Menschlichkeit und Recht.“
Weitere Informationen: www.dokumentation-bueckeberg.de/
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Gegen das Vergessen - Am 26. September werden 20 weitere Stolpersteine in Hannover verlegt
Am Mittwoch, 26. September 2018, wird in Hannover eine weitere Verlegung von Stolpersteinen stattfinden, mit denen an in der Zeit des Hitlerfaschismus verfolgte Menschen erinnert wird. Geplant sind 20 Gedenksteine in 9 Stadtbezirken. Damit wären vom Kölner Initiator der Aktion, Gunter Demnig, allein im Stadtgebiet Hannovers mehr als 400 Steine für Opfer des Holocaust verlegt worden, insgesamt mehr als 60.000 in 22 Ländern.
An wen werden die Stolpersteine in Hannover erinnern?
- Iko und Sophie Tennenbaum (Callinstr. 2)
- Hedwig und Josef Kirchheimer (Königsworther Str. 10)
- Karl Wrampe (Egestorffstr. 14)
- Basche und Isaak Josef Klein (Goldener Winkel 2)
- Clara und Hugo Dahlheim (Bandelstr. 7)
- Gertrud und Paula Dahlheim, sowie für Meta Zacharias, geb. Dahlheim (Rehbergstr. 1)
- Maria Kleeberg (Wissmannstr. 11)
- Martin Frommhold (Kirchröder Str. 18)
- Dr. med. Elisabeth Müller (Lavesstr. 64)
- Ida und Dr. Hans Dahlheim (Königstr. 5)
- Toni Kreutzmann (Lister Meile 77-79)
- Alice und Hermann Werblowski (Kopernikusstr. 1/Ecke Engelbosteler Damm)
Die Kinderärztin Dr. med. Elisabeth Müller unterhielt ihre Praxis in der Lavesstr. 64 bis Mitte 1933; nach der Entziehung der Kassenzulassung war sie gezwungen, sie zu schließen. Die Ärztin ging in die Schweiz und arbeitete zunächst an der "Pepinière" in Genf. 1935 gründete sie ein Heim für jüdische Kinder im badischen Bollschweil, bevor sie 1939 nach Hannover zurückkehrte und eine Tätigkeit als Oberin am Jüdischen Krankenhaus übernahm.
Am 23. Juli 1942 wurde Dr. Elisabeth Müller mit den Ärzten, Pflegekräften, Patienten und Bewohnern des Jüdischen Krankenhauses nach Theresienstadt deportiert. Es ist überliefert - wie in einer Veröffentlichung der Ärztekammer Niedersachsen zu lesen ist -, daß sie in Theresienstadt als Oberschwester auf einer Krankenstation tätig war. Im Oktober 1944 wurde sie von Theresienstadt nach Auschwitz verschleppt und ermordet.
"Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist."
Weitere Informationen: www.hannover.de/Kultur-Freizeit/Architektur-Geschichte/Erinnerungskultur/; www.stolpersteine.eu/
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Symposium "Personelle Kontinuitäten in der Psychiatrie Niedersachsens nach 1945"
In Niedersachsen waren nach 1945 auch Ärztinnen und Ärzte tätig, die im Nationalsozialismus direkt oder indirekt an der Ermordung von Kindern und Erwachsenen mit psychischen Erkrankungen und geistigen Behinderungen beteiligt waren.
Psychiater wie Willi Baumert, Leiter der zur Ermordung von minderjährigen Patienten bestimmten "Kinderfachabteilung" in Lüneburg, und Ernst Meumann, Direktor der als Zwischenstation zur "Euthanasie“-Gasmordanstalt Bernburg/Saale dienenden Heil- und Pflegeanstalt Königslutter, konnten nach Kriegsende ihre Karrieren im niedersächsischen Landesdienst fortsetzen.
Weitere Hauptverantwortliche, Täterinnen und Täter der "Euthanasie"-Morde an Erwachsenen und Kindern kamen in den 1950er Jahren an den niedersächsischen Landeskrankenhäusern in leitende Positionen oder konnten relativ ungestört in niedergelassener Praxis arbeiten.
So war Prof. Dr. med. Hans Heinze, einer der Protagonisten des Mordes an behinderten und psychisch kranken Kindern im Nationalsozialismus, ab 1954 als Leiter der Kinder- und Jugendpsychiatrie in Wunstorf tätig und Prof. Dr. med. Gerhard Kloos, für die Ermordung von Kindern und Tuberkulosekranken in der thüringischen Landesheilanstalt Stadtroda verantwortlich, übernahm die Leitung der Heil- und Pflegeanstalt Göttingen. Dr. med. Klaus Endruweit, ab 1940 als Arzt in der NS-Tötungsanstalt Sonnenstein im Einsatz, eröffnete am 1. Juli 1946 eine Arztpraxis in Bettrum im Landkreis Hildesheim und war im Vorstand mehrerer ärztlicher Körperschaften aktiv.
Das Symposium "Personelle Kontinuitäten in der Psychiatrie Niedersachsens nach 1945" präsentiert die Ergebnisse des vom Niedersächsischen Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung in Auftrag gegebenen Forschungsberichts "Personelle Kontinuitäten in der Psychiatrie Niedersachsens nach 1945", vorgetragen von Dr. phil. Christof Beyer vom Institut für Geschichte, Ethik und Philosophie der Medizin der Medizinische Hochschule Hannover (MHH). Der Referent hat reichlich vorgearbeitet: Unter anderem thematisierte er in der Broschüre "Tradition und Transformation. Personelle und politische Kontinuitäten in der Medizin der Nachkriegszeit" (Hannover 2014) "Psychiatrisches Handeln in der Provinz Hannover zwischen 'Drittem Reich' und Bundesrepublik".
Solche Kontinuitäten, eben juristische, professions- und gesundheitspolitische Bedingungen, die zur scheinbar nahtlosen Reintegration von Täterinnen und Tätern nationalsozialistischer Medizinverbrechen in die Gesundheitsversorgung in Niedersachsen und in der Bundesrepublik geführt haben, werden sicher Gegenstand des von PD Dr. phil. Heiko Stoff (MHH) moderierten Abschlusspodiums der Veranstaltung sein, zu der sich Sozialministerin Dr. rer.nat. Carola Reimann zu einem Grußwort angesagt hat.
Das Symposium findet am Montag, 4. Juni 2018 (16.00 bis 19.00 Uhr) im Hörsaal H der Medizinischen Hochschule Hannover statt. Anmeldungen per E-Mail bei
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DADA siegt! Schon wieder!
Ein historisches Motto greift eine Veranstaltung am 1. September in Köln auf: "DADA siegt!" Geplant ist eine "Dada Soirée: Köln Dada und Berlin Dada - und mittendrin Kurt Schwitters mit 'MERZ'", die im MAKK - Museum für Angewandte Kunst Köln, An der Rechtschule 7, Großer Vortragssaal stattfindet (19.00 Uhr, Eintritt frei). Auf dem Programm stehen - so heisst es in der Ankündigung - "Poesie, Manifeste, Beschimpfungen, Musik, Erläuterungen, kurze Stücke" und versichert wird ein "anregender, vergnüglicher und keinesfalls gemütlicher Abend". Konzipiert und moderiert wird die Session von Prof. Dr. phil. Michael Erlhoff, der dabei "wesentlich unterstützt" wird von Dj Fangkiebassbeton, den Schauspielerinnen Leni Geyer und Lou Strenger und den Schauspielern Janis Kuhnt und Justus Maier.
In der Einladung zur Veranstaltung heisst es: "Zur Geschichte der Beziehung von Preußen und dem Rheinland gehört unabdingbar Dada. Gewiss, Dada entstand 1916 in Zürich und bewegte sich quer durch Europa, aber richtig manifest artikulierte es sich um 1920 in Köln (vor allem mit Max Ernst, Johannes Theodor Baargeld, Jean Arp) und in Berlin (Raoul Hausmann, Johannes Baader, Richard Hülsenbeck, George Grosz, John Heartfield). Also in jenen beiden Städten lebhafter Kultur und gesellschaftlicher Auseinandersetzungen. Dort in Berlin sehr selbstbewusst und politisch, [...] in Köln etwas zaghafter, vielleicht experimenteller und nicht so nachhaltig - und auf halbem Weg dazwischen in Hannover tummelte sich noch Kurt Schwitters. Auf jeden Fall aber veränderte Dada den Blick auf Kunst, Poesie, Musik und Gesellschaft und entwickelte völlig neue Formen der künstlerischen und auch der politischen Artikulation. Dada rüttelte an den Grundfesten von Gesellschaft und Kultur, kritisierte radikal unsinnige Ordnung und entwarf lebendige Perspektiven."
Wenn ich es recht übersehe (die DADA-Experten werden sicher mehr wissen!) nimmt das Motto der Veranstaltung auf verschiedene historisch verbürgte Aktivitäten Bezug:
- Den "Dada-Vorfrühling" 1920 in Köln (In der Ausstellung im "Brauhaus Winter" waren Werke von Heinrich Hoerle, Francis Picabia und Louise Straus-Ernst zu sehen. Die Empörung des Publikums war groß, und viele Kunstwerke sollen zerstört und gleich wieder durch neue ersetzt worden sein. Auch soll neben einer Plastik von Max Ernst ein Hammer zu diesem Zweck bereit gelegen haben. Der polizeilichen Schließung der Ausstellung wegen angeblicher Pornographie folgte - wegen Mangel an Beweisen - die baldige Wiedereröffnung in der Schildergasse 37. Diesen Vorfall feierten die Veranstalter als Sieg, den sie auch auf dem neuen Ausstellungsplakat verkündeten, nicht ohne den Hinweis, dass sie für "Ruhe und Orden" seien.),
- die "Erste Internationale Dada-Messe" 1920 in Berlin (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Erste_Internationale_Dada-Messe),
- eine Arbeit von Raoul Hausmann ("Der Geist unserer Zeit") von 1920 (vgl. https://utopiadystopiawwi.wordpress.com/dada/raoul-hausmann/the-spirit-of-our-time/hausmann-dada-siegt-1920/) und
- die gleichnamige Monographie von Richard Huelsenbeck, 1920 erschienen im Malik-Verlag (vgl. http://sdrc.lib.uiowa.edu/dada/Dada_siegt/pages/000cover.htm).
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Reunion in Ascona - Frieda und Otto Gross mit Ernst Frick
"Mein Sohn hat sich im Jahre 1903 mit der Tochter des im Frühjahre 1911 verstorbenen Grazer Advokaten Dr. Alois Schloffer, namens Frieda vermählt und entspross diesem Bunde ein nunmehr 5-jähriges Söhnchen Peter, der gegenwärtig bei seiner Mutter ist. Meine Schwiegertochter ist ebenfalls eine exaltierte, wenn auch hochintelligente Frau, huldigt ebenso den anarchistischen Ideen wie mein Sohn. Die beiden Ehegatten leben seit einer Reihe von Jahren faktisch getrennt, ohne jedoch gerichtlich geschieden zu sein. Hieraus erklärt sich folgendes: Da mein Sohn seine Frau gemäss seiner Lebensanschauungen schalten und walten liess wie sie wollte, trennten sie sich und meine Schwiegertochter lernte unter vielen anderen Männern auch einen Schweizer Anarchisten namens Ernst Frick kennen, mit dem sie ein Liebesverhältnis einging oder besser gesagt, nach anarchistischen Anschauungen in freier Ehe lebte."
Mit wenig liebevollen Worte unterstreicht Prof. Dr. jur. Hanns Gross im November 1913 seine Überzeugung, dass die eben gegen seinen Sohn Otto verhängte Kuratel angesichts von dessen Lebenseinstellung und -verhältnissen eine "unbedingt notwendige Massnahme“ ist und führt uns die Protagonisten vor, die - gut 100 Jahre später - im Juni 2014 auch aus anderer Perspektive präsentiert werden sollen: Die IG Ernst Frick veranstaltet in Ascona, St. Gallen und Zürich eine Reihe von Veranstaltungen, bei denen zwei Monografien vorgestellt werden, die sich mit der Biografie von Frieda Gross und Ernst Frick auseinandersetzen sowie Arbeiten auf Papier von Ernst Frick vorgestellt werden.
- Esther Bertschinger-Joos: Frieda Gross. Ihr Leben und ihre Briefe an Else Jaffé. Verlag LiteraturWissenschaft.de, Marburg
- Esther Bertschinger-Joos / Richard Butz: Ernst Frick. Zürich - Ascona, Monte Verità. Anarchist, Künstler, Forscher. Limmat Verlag, Zürich
Ascona, 13. Juni 2014, 18.00 Uhr, Fondazione Monte Verita, Via Collina 84, CH-6612 Ascona, www.monteverita.org
Zürich, 21. Juni 2014, 17.00 Uhr, Biblion Antiquariat und Galerie, Kirchgasse 40, CH-8001 Zürich
St. Gallen, 25. Juni 2014, 19.30 Uhr, Buchhandlung Comedia, Katharinengasse 20, CH-9000 St. Gallen, www.comedia-sg.ch
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In Transit - Der Blick der Anderen
"In Transit" startet am 17. Oktober 2012 und stellt sich der Herausforderung, Fotografie als dokumentarische, künstlerische und politische Beschreibung von Welt zu verstehen und als partizipatorisches Projekt in einem öffentlichen In-Transit-Raum am Berliner Bahnhof Ostkreuz zu präsentieren.
"Der Blick der Anderen" wird in einen Diskurs über unsere gegenwärtige(n) Gesellschaft(en) gestellt, indem Jaana Prüss Bilder professionell und künstlerisch arbeitender Fotografen mit denen von Mitbürgern, Passanten, Besuchern des Monats der Fotografie - die sich an einem Open Call beteiligen -, in einen "Dialog der Blicke" bringt. "Wir kleben", so schreibt mir Erik Schiemann, der an der Aktion beteiligt ist, "unsere Bilder wie Poster gegen die Bauzähne, 120 laufende Meter."
Die Ausstellung präsentiert Sichtweisen auf aktuelle gesellschaftliche Fragen des Wandels und Situationen der Transformation. Sie zeigt in ihrer Heterogenität Perspektiven zu Individuum und Gesellschaft, Provisorien, Commons, Mobilität, Migration, Flucht und stellt Fragen zur Suche nach Zuflucht und Verortung, nach Aufgaben, Arbeit, Sinn und neuen Strategien des 'Überlebens'. Jede/r ist eingeladen sich daran selbst aktiv und bildnerisch zu beteiligen.
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17. März: Heide Soltau erinnert an den Geburtstag von Otto Gross
Heide Soltau erinnert in WDR3 an den Geburtstag von Otto Gross am 17. März 1877: "Der radikale Freiheitssucher Otto Gross zählt zu den verkannten Köpfen der Moderne. Der charismatische Mann und kreative Denker beeinflusste Künstler, Lebensreformer und Anarchisten zu Beginn des 20. Jahrhunderts."
Sendezeit: Samstag, 17.03.12 um 17:45 Uhr in der Sendereihe "Zeitzeichen". NDRInfo sendet das Feature am gleichen Tag um 19:05 Uhr.
Podcast: www1.wdr.de/
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Die Genossen Piraten - Eine Kaperfahrt zur Weltrevolution / Vortrag in Hannover
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Otto Gross goes Hollywood: David Cronenbergs "A Dangerous Method" 2011 im Kino
2007 feierte das Stück "Die Methode" als deutsche Fassung von Christopher Hamptons "The Talking Cure", das eine wichtige Episode in der Geschichte der Psychoanalyse thematisiert, im Hamburger Ernst Deutsch Theater Premiere. Der dem breiten Publikum vor allem als Synchronsprecher bekannte Christian Brückner war in der Rolle des Sigmund Freud zu sehen. Den Auftritt von Otto Gross im Stück kommentierte seinerzeit Klaus Witzeling als einen Höhepunkt der Aufführung: "Als die Sexualität gegen Ende des ersten Aktes in Gestalt des hemmungslos Drogen und Frauen konsumierenden Genie-Psychiaters Otto Gross (auch ein verführerisch fiedelnder Geiger: Armin Schlagwein) ins Spiel kommt, erhält das zunächst fakten- und fallstudienlastige Stück Spannung und Schwung. Der brave Ehemann Jung erkennt seine unterdrückten Gefühle für die Patientin Spielrein, eine hübsche junge russische Jüdin und beginnt mit ihr eine Affäre." (Hamburger Abendblatt, 13, Januar 2007) Unter den geladenen Gästen damals auch Otto Gross' Tochter Sophie Templer-Kuh.
Der Hintergrund des nun von David Cronenberg verfilmten Stoffes ist bekannt: Carl Gustav Jung (im Film von Michael Fassbender dargestellt), Oberarzt am Züricher Burghölzli, ist 1907 infiziert von den Ideen des Otto Gross, wie er Arzt und Psychoanalytiker. An Sigmund Freud (Viggo Mortensen, zunächst war Christoph Waltz vorgesehen) schreibt er am 25. September: "Dr. Groß hat mir gesagt, er habe die Übertragung auf den Arzt gleich wieder weg, da er die Leute zu Sexualimmoralisten mache." Im Mai 1908 wird Gross (in Cronenbergs Film Vincent Cassel), der sich zunächst von Freud behandeln lassen wollte, Patient von Jung, doch schon am 17. Juni 1908 wird die Analyse jäh beendet, Gross flüchtet aus der Klinik und wird sich späer beklagen, dass Jung ihm seine Ideen gestohlen habe.
Zu Beginn des Jahres 1909 wird die Russin Sabina Spielrein (in Cronenbergs Film von Keira Knightley dargestellt) zum zweiten Mal Patientin in der Zürcher Klinik und von Jung. Der beginnt eine Beziehung mit ihr, die bald darauf Gesprächsthema in Medizinerkreisen wird. Sigmund Freud schreibt am 9. März 1909 an Jung: "Von jener Patientin, die Sie die neurotische Dankbarkeit der Verschmähten kennengelehrt hat, ist eine Kunde auch zu mir gedrungen. Muthmann sprach bei seinem Besuch von einer Dame, die sich ihm als Ihre Geliebte vorgestellt hat und meinte, es würde ihm nur imponieren, wenn Sie sich soviel Freiheit bewahrt hätten."
Jung bricht die Beziehung ab, Sabina Spielrein wendet sich an Freud. "Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir eine kleine Audienz erteilen könnten! Es handelt sich da um eine für mich äußerst wichtige Angelegenheit, welche zu vernehmen Sie wahrscheinlich interessieren wird." Der aber vertröstet sie, so dass sie später resigniert in ihrem Tagebuch notiert: "Die reine Freundschaft verträgt der Mann auf die Dauer nicht. Bin ich gut zu ihm - dann will er Liebe haben, bin ich stets kalt - dann verleidet ihm die Geschichte."
Sabina Spielrein wird Psychoanalytikerin und Mitglied der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung. 1911 trägt sie in Freuds Mittwochs-Gesellschaft vor. Freud an Jung: "Die Spielrein hat gestern ein Kapitel aus ihrer Arbeit vorgetragen (bald hätte ich das Ihrer groß geschrieben), woran sich eine lehrreiche Diskussion schloß. Mir fielen einige Formulierungen gegen Ihre (jetzt ernsthaft) Arbeitsweise in der Mythologie ein, die ich der Kleinen auch vorbrachte. Sie ist übrigens sehr nett, und ich fange an zu begreifen." Jung antwortet: "Die Kleine verlangte stets sehr viel von mir. Jedoch ist sie es wert. Es freut mich, dass Sie auch nicht schlimm von ihr denken." Und wieder Freud: "Sie ist sehr gescheit; alles, was sie sagt, hat Sinn, ihr Destruktionstrieb ist mir nicht sehr sympathisch, da ich ihn für persönlich bedingt halte. Sie scheint mehr Ambivalenz, als normal ist, zu führen."
Später kehrt Sabina Spielrein in ihre Heimat zurück, praktiziert als Ärztin - und endet tragisch. Am 11./12. August 1942 werden die in Rostow am Don lebenden Juden in einem Schulgebäude von den deutschen Besatzern zusammengetrieben und später in der Schlangenschlucht erschossen. Unter ihnen sind auch die siebenundfünfzigjährige Sabina Spielrein und ihre beiden Töchter Renata, 29, und Eva, 16. Als letzte Zeitzeugin erinnert sich Nina Pawlowa an Sabina Spielrein: "Sie war, wie alle ringsum fanden, furchtbar unpraktisch. Anziehen tat sie nur, was irgend jemand ihr schenkte. Sie sah aus wie ein altes Weiblein, obwohl sie es den Jahren nach gar nicht war. Sie ging gebeugt, in einem alten, schwarzen Rock, der bis zur Erde reichte. Dazu trug sie Spangenschuhe, Marke 'Herbst des Lebens’, wie man heute sagen würde, ich glaube, die hatte sie noch aus Berlin. Meine Großmutter zog sich so an. Sie war vom Leben mitgenommen, das sah man." (Alexander Etkind, Eros des Unmöglichen. Leipzig 1996, S. 193)
Otto Gross wird sowohl Jung als auch Freud noch eine Weile beschäftigen. Am 15. Februar 1918 berichtet Sándor Ferenczi aus Budapest im Brief an Sigmund Freud: "Er wird noch als 'Golem' bald da, bald dort auftauchen." Schon zwei Jahre später ist Gross tot. Er stirbt am 13. Februar 1920 an einer Lungenentzündung und möglicherweise Entzugserscheinungen in der Privat-, Heil- und Pflegeanstalt Dr. Gustav Scholinus in Pankow.
Man darf gespannt sein, was David Cronenberg aus dem Stoff gemacht hat, beschreibt doch der Autor Hampton die unterschiedlichen psychotherapeutischen Ansätze zu Beginnn des vorigen Jahrhunderts und ihre Wirkungen, zeigt deutlich die Problematiken auf, die sich in diesem Kontext für die Arzt-Patient-Beziehung ergeben, verweist auf Missbrauch in der Therapie und problematisiert patriarchalische Strukturen. Der Film "A Dangerous Method" soll 2011 in die Kinos kommen.
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