Otto Gross an Frieda Weekley
Meine Geliebte, Dank für den lieben schönen Brief an Frieda [1], ich glaube, der hat sehr gut gethan. Es ist jetzt viel besser, Gott sei Dank, und sogar Manches Neues Gutes - ich kann jetzt viele Dinge zu Frieda sagen und sie hört zu - sie fängt auch an für meinen Beruf sich mehr zu interessieren. Ich erhoffe mir Segen von Deinem Hiersein - mein Friedele [2]! Du, willst Du nicht nach München
kommen - hast Du nicht München lieb ? Ich freue mich unsagbar auf Dich - Geliebte, wenn Du mich noch lieb hast dann wirst Du diesmal Freude an mir haben - mir hat es wirklich gut gethan, mich selber behandelt zu haben - und mein Beruf, der mir doch so die richtige Verwertung von allem Können und Sein geworden ist Das macht mich stark und harmonisch und sicher. Ich seh' das jetzt, wie unvergleichlich besser als irgendeinmal ich
diesmal im Zusammen- sein mit Frieda bin, - Mein Friedele, komm bald - komm auf recht lang - bleib doch am liebsten ganz - - - - Ich habe Dich so sehr lieb, Du bist mir eine Kraft und Wärme in jedem Gedanken, der nach Dir ruft - und derer sind mehr als Du glaubst - - - Dein Ring ist mir ein Talisman geworden, der Ring mit den Frauen und dem Stein, der vom Glanz Deiner Sonnenaugen den Schimmer hat - ich sehe ihn immerfort
so, als hättest du ihn eben erst an meine Hand gegeben und diese Hand gesegnet zu allem Thuen, das gut und stark und frei ist - nie seh ich diesen Ring ohne gute Gedanken, du Segnende - Du giebst so eine wunder- bare Kraft, zugleich ein richtiger Mensch zu sein und zugleich der Idee zu leben - das Beides muss man sein, um Werth zu sein, Dich zu lieben - Geliebte, diesmal hab' ich Dir so viel zu sagen !
Weisst Du noch, wie es damals in München war, damals als Du mich wähltest in Deiner wunderbaren grossen Art ? Weisst Du es noch, wie überreich uns jede Stunde war ? Frieda, was damals Saat war, das ist jetzt aufgegangen - komm jetzt zu einem Erntefest und neuen Saaten - ich sehe diese Zeit, die unserer Liebe kommen soll - die Zeit des nächsten Wieder- sehens als glänzender und vielmals reicher an Gold und Segen - Du Meine Du - bleib mein ! Dein Otto
1) Gemeint ist Gross' Frau Frieda, geb. Schloffer 2) Koseform von Frieda, die Gross gelegentlich auch für seine Frau benutzt
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