„ICH WEISS DASS ICH BALD VERGESSEN SEIN WERDE ABER ES GEHT MIR JA BLOSS GENAU SO WIE DENEN DIE VOR MIR GEGANGEN SIND UND DIE NACH MIR KOMMEN.“
(Gerhard Holzer 1937 in seinem Abschiedsbrief an den Bruder Richard)
„Es gibt keine Gerechtigkeit im Dritten Reich“ und „Es lebe die Rote Internationale“ - das sind die letzten Worte des 24-jährigen Gerhard Holzer ehe er am 31. Juli 1937 um 6 Uhr in der Strafanstalt Berlin-Plötzensee enthauptet wird.
Seit dem 6. September 1935 - also knapp 2 Jahre - ist Holzer in Haft, zunächst in Magdeburg, wo er festgenommen wird. Er wird mehrmals an die Stapo Leipzig überstellt und dort verschärften Verhören unterworfen.
Er wird des Hochverrats angeklagt, mit einer Nachtragsschrift vom 14. Juli 1936 auch des Landesverrats. Am 11. September 1936 wird Gerhard Holzer zum Tode verurteilt. Ein Gnadengesuch beim Volksgerichtshof vom 27. Oktober 1936 wird abgewiesen, ein Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens vom 16. März am 12. April 1937 als unzulässig verworfen. Auch ein an Hitler gerichtetes Gnadengesuch vom 20. April 1937 wird abgelehnt.
Seine Mutter, die 59-jährige Sophie Holzer, die das Elektro-Installationsgeschäft ihres 1929 verstorbenen Ehemanns David fortführt, wird am 26. Oktober 1943 mit einem Sondertransport von 45 ausländischen Juden von Berlin nach Ravensbrück deportiert, wo sie mit der Häftlingsnummer 24 342 als Hilfskraft eingesetzt wird, ehe sie am 3. Oktober 1944 nach Auschwitz deportiert und ermordet wird.
Am 28. Juli 2025 um 14 Uhr werden in Berlins Ifflandstraße, dort, wo früher Haus Nr. 4 stand, Stolpersteine für Sophie und Gerhard Holzer verlegt.
Die Familie Holzer
Die Familie der Holzers - da ist der Vater David, ungarischer Staatsbürger, am 20. Dezember 1872 im Budapester Stadtteil Pest geboren. Seine Eltern sind der Holz- und Kohlenhändler Jakob Holzer und seine Frau Regina, geborene Wetzler. Er hat am 24. Februar 1910 in Berlin Sophie Levy geheiratet, die am 8. Dezember 1883 in Adrianopel (heute Edirne/Türkei) geboren ist. Ihre Eltern sind der Kaufmann Mussa Levy und dessen Frau Rachel, geborene Fermo. Zu ihrer Familie gehört noch der am 1. Oktober 1870 in Istanbul geborene Bruder Salomon.
Die Holzers sind ungarische Staatsbürger. Am 30. März 1911 wird in Berlin der Sohn (Karl) Richard geboren, am 17. Oktober 1912 Gerhard.
Die Familie ist jüdischen Glaubens, David Holzer betreibt in der Ifflandstr. 4 ein Elektro-Installationsgeschäft. Er zieht bei Kriegsausbruch 1914 mit 41 Jahren als Freiwilliger ins Feld - während Sophie Holzer das Geschäft weiterführt -, nimmt an den Isonzo-Schlachten teil und kann sich verschiedentlich auszeichnen.
Richard Holzer besucht das Gymnasium, verschiedene Fachschulen und kann eine Ausbildung als Außenhandelskaufmann erfolgreich abschließen. 1927 beginnt er sich politisch zu organisieren, wird Mitglied der Internationalen Arbeiterhilfe und 1928 Mitglied der Gewerkschaft. Der Bruder Gerhard besucht zunächst die Volksschule, anschließend die Realschule Distelmeyer in Friedrichshain. Nach Beendigung der Schulzeit erlernt er das Elektrikerhandwerk und wird 1926 Mitglied im deutsch-jüdischen Wanderbund.
Am 12. Dezember 1929 stirbt David Holzer und wird auf dem Jüdischen Friedhof Weissensee beigesetzt. Sophie Holzer führt den Betrieb weiter, in dem nun auch der Sohn Gerhard tätig ist.
Nahezu zeitgleich wenden sich die Brüder den Kommunisten zu, wobei Richard den jüngeren Bruder motiviert zu haben scheint. Im Abschiedsbrief an die Mutter schreibt Gerhard 1937: „Ich will aber in letzter Stunde noch sentimental werden und bitte dich nur noch dem Richard keinerlei Vorwürfe zu machen. An dem was geschehen ist trag ich alleine die Schuld und bekomme ja auch jetzt die Quittung.“
Richard wird 1930 Mitglied der KPD, Gerhard des Kommunistischen Jugendverband Deutschlands (KJVD) und dort Funktionsträger, er wird Literaturobmann im Unterbezirk Alexanderplatz, dann Organisations-Leiter (Org.-Leiter), bis April 1932 ist er Politischer Leiter (Pol.-Leiter) der Zelle Jannowitz. Außerdem tritt er der Roten Hilfe bei.
Gerhard Holzer im „Sowjetparadies“
1932 unternimmt Gerhard Holzer einen überraschenden Schritt, womöglich ausgelöst sowohl durch tiefe Sympathie für die russische Revolution als auch durch die Werbeaktionen für die Beteiligung am dortigen sozialistischen Aufbau. Er bittet - auch wegen der schlechten Wirtschaftslage des mütterlichen Geschäfts - die Bezirksleitung des KJVD, ihn zur Arbeit nach Rußland zu schicken. Da diese Bitte abgelehnt wird, reist er mit finanzieller Unterstützung der Mutter mit Intourist nach Moskau, von dort weiter nach Swerdlowsk. Hier kann er zunächst als Beifahrer tätig werden, später als Gießereilehrling in einem Staatsbetrieb und anschließend als Former.
„Wenn es dem Esel zu wohl ist, geht er aufs Eis tanzen“
Im September 1933 wird er durch ein früheres Mitglied des ZK des KJVD motiviert, sich in Deutschland illegal für den Verband zu betätigen und diesen wieder aufzurichten. Er wird mit Fehlinformationen versorgt und geht davon aus, „dass der Boden in Deutschland entsprechend vorbereitet“ ist. In seinem Abschiedsbrief aus der Zelle in Berlin-Plötzensee an die früheren Arbeitskameraden in Swerdlowsk schreibt er: „… wenn ich es recht bedenke so habe ich vom persönlichen Standpunkt gesehen die größte Dummheit gemacht als ich mich überreden ließ zu fahren. Aber du weißt ja, wenn dem Esel usw. Trifft auch bei mir zu.“ Ehe er schließlich ausreist, besucht er von August bis November 1934 die Internationale Lenin-Schule der Komintern in Moskau.
Instrukteur in Hamburg und Magdeburg
Mit einem gefälschten luxemburgischen Pass auf den Namen Robert Adam reist er nach Prag, wo er von Kurt Hager(1), der als Oberberater des KJVD in Berlin und Norddeutschland fungiert, Instruktionen zum Einsatz in Deutschland erhält und nach Berlin weiter reist. Vom 22. Dezember 1934 bis zum Juni 1935 ist Holzer in Hamburg aktiv, arbeitet mit Hermann Amter(2) zusammen und unterhält als Betriebsinstrukteur Verbindungen zur Firma Blohm & Voss. Sein Tätigkeitsspektrum als Instrukteur umfasst Verbindungen zu Betrieben, Zellen und einzelnen Mitgliedern herzustellen und aufrecht zu erhalten, politische Schulungen durchzuführen, Jugendgruppen zu schaffen und die Arbeit von Funktionären des KJVD anzuleiten sowie Berichte über die Stimmung in den Betrieben einzuliefern.
Seit Juni 1935 ist Holzer in Magdeburg im Einsatz, wobei er auf eine in Auflösung befindliche Parteiorganisation trifft, von Spitzeln durchsetzt und angesichts des massiven Vorgehens der Gestapa(3) sichtbar eingeschüchtert. So ist Holzer gezwungen, sich nicht nur um die Angelegenheiten des KJVD, sondern auch zunehmend um die der KPD zu kümmern. Im Juli 1935 wird Holzer von Rudolf Hallmeyer(4), dem bisherigen Bezirksleiter des KJVD für Magdeburg und Hannover, instruiert und kann in seiner Tätigkeit an dessen bündnispolitische Erfolge anknüpfen. Hallmeyer ist es zuvor gelungen, etliche Mitglieder der Sozialistischen Arbeiter-Jugend (SAJ) wie Alfred Fichtner(5) und Heinz Golessa(6) für den KJVD zu gewinnen. Die SAJ-Gruppe Altstadt schließt sich mit der dortigen KJVD-Gliederung zusammen. Hallmeyer vermittelt Holzer die erforderlichen Verbindungen zu Magdeburger Betrieben und Holzer entfaltet eine Untersuchungstätigkeit, übergibt das gewonnene Material an die Zentrale des KJVD in Berlin. Alfred Fichtner gründet in Holzers Auftrag eine Jugend-Betriebszelle bei der Fa. R. Wolf in Buckau-Salbke und fertigt Zeichnungen von der dort produzierten 7,5-cm-Flakkanone an. Auch den einstigen SAJler Ernst Kämmerer, der als Schlosser bei der Munitionsfabrik Polte tätig ist, leitet Holzer in gleicher Weise an. (Vgl. Herlemann, Beatrix: „Wir sind geblieben, was wir immer waren, Sozialdemokraten“. Das Widerstandsverhalten der SPD im Parteibezirk Magdeburg-Anhalt gegen den Nationalsozialismus 1930-1945. Halle/Saale: mdv Mitteldeutscher Verl., 2001, S. 190-191) Die tiefe Unzufriedenheit mit der Magdeburger Parteiorganisation wird deutlich, als Gerhard Holzer gegenüber Kurt Hager, inzwischen in Berlin und sein zuständiger Kontaktmann, die Ablösung des KPD-Bezirksleiters Willi Jahn(7) verlangt.
Im Visier der Gestapa
Am 2. Oktober 1935 erstattet die Stapoleitstelle Magdeburg ihren „Schlussbericht“. Demnach werden vom 3.-6. September 1935 von der Stapoleitstelle Magdeburg im Verein mit Beamten der Gestapa Berlin folgende Personen festgenommen und in Schutzhaft überführt:
- Former Gerhard Holzer,
- Bäcker Willi Jahn,
- Klempner Karl Wagner(8),
- Sattler Johannes Kirsch(9),
- Drucker Walter Schlag(10),
- Dreher Paul Brand,
- Dreher Arthur Wypochowicz,
- Arbeiter Max Giessler,
- Schlosser Alfred Jänicke.
Der Anstoß zu den Festnahmen erfolgt durch die Gestapa Berlin, die auch für die weiteren Ermittlungen zuständig sein will. Brand, Wypochowicz, Giessler und Jänicke werden nach einigen Tagen entlassen, Schlag am 16. September der Stapo in Halle übergeben, er wird schon seit August 1934 wegen Vorbereitung zum Hochverrat gesucht. Holzer, Jahn, Wagner und Kirsch hingegen wird nicht nur illegale Tätigkeit vorgeworfen, sie sollen auch im militärpolitischen Apparat der KPD, Ressort Betriebsspionage, dem so genannten BB-Apparat, tätig gewesen sein. Holzer wird im Schlussbericht als „der typische jüdische intellektuelle Kommunist“ charakterisiert.
Auf den BB-Apparat hat es die Gestapa besonders abgesehen. Einer späteren Aussage Karl Wagners zufolge, der tatsächlich für den BB-Apparat arbeitet, kommt es im Januar 1935 in Berlin zu einer Begegnung zwischen Wagner, Ewald Jahnen(11) und Wilhelm Bahnik(12), dem Reichsleiter des BB-Apparats, weitere Treffen in Berlin, Magdeburg und Dessau folgen. Zu diesen gehört auch ein Treffen mit dem vorbestraften - und von der Gestapa überwachten - Schlosser Otto Schirow, der in Dessau im Schablonenbau der Junkerswerke tätig ist und bei dem Treffen für den BB-Apparat angeworben wird. Wagner, von der Tätigkeit im BB-Apparat in der Folge abgehängt, wird nach dem Treffen von einem Polizeispitzel, der sich als Vertreter Bahniks ausgibt, aufgesucht und von diesem aufgefordert, für ihn eine Verbindung zu Schirow, dessen Namen und Identität er noch nicht kennt, herzustellen. Ein zwischen Schirow und dem Spitzel vereinbartes Treffen kommt nicht zustande - aber die Identität von Schirow wird offengelegt. Auf Verlangen des Spitzels erfolgt - durch Wagner vermittelt - ein Kontakt mit dem Unterbezirksleiter Magdeburg-Alte Neustadt des Rotfrontkämpferbundes, Johannes Kirsch, später mit dem Pol.-Leiter Willi Jahn. Bald darauf wird Wagner festgenommen, später auch Johannes Kirsch und am 3. September Jahn. Jahn hat Gerhard Holzer für den 3. September zu einem Treff mit einem vermeintlichen Berliner Funktionär der KPD bestellt, zu dem Holzer, mißtrauisch geworden, allerdings nicht erscheint. Am 4. September 1935 kommt es zur Festnahme von Otto Schirow durch Beamte der Stapo Magdeburg an seiner Arbeitsstelle in Dessau, am 6. September wird Gerhard Holzer verhaftet. Der Spitzel hat ganze Arbeit geleistet.
Lagebericht I
Die Lageberichte der Geheimen Staatspolizei zur Provinz Sachsen für den Regierungsbezirk Magdeburg vermitteln einen authentischen Eindruck von der Verfolgung politischer Gegner. Der Bericht vom 5. Oktober 1935 verzeichnet unter „B. Kommunistische Bewegung“ zunächst ein erhebliches Nachlassen der Propagandatätigkeit im September 1935 und betont den schon früher berichteten Mangel der KPD in Magdeburg an „geeigneten, geschulten Kräften“ (Rupieper, Hermann-Josef & Alexander Sperk (Hrsg.): Die Lageberichte der Geheimen Staatspolizei zur Provinz Sachsen 1933 - 1936: Bd. 1 Regierungsbezirk Magdeburg. Halle: Mitteldeutscher Verl., 2003, S. 295). Die bereits im Juli erfolgte „Aburteilung von 9 führenden Kommunisten Magdeburgs hat nachweisbar vielen ihrer Anhänger ein für allemal die Lust genommen, sich weiterhin illegal zu betätigen. Nunmehr ist es Anfang September gelungen, eine Anzahl Personen festzunehmen, von denen einige zu den führenden Köpfen der kommunistischen Bewegung in Magdeburg zu rechnen sind.“ (Ebenda) Dabei geht die Gestapa davon aus, dass unter den Festgenommenen auch solche sind, die „für den militärpolitischen Apparat der KPD, Ressort Betriebsspionage, tätig“ (Ebenda) sind. Nachdem vier Personen „nach eingehender Vernehmung entlassen“ werden, ein Fünfter der Staatspolizeistelle Halle übergeben wird, sind die verbleibenden vier dem Richter vorgeführt worden, der Haftbefehl erlassen hat. „Typisch ist, dass der geistige Kopf dieser Gruppe ein anormal kleiner(13), rothaariger Jude namens Holzer war, der 1932 nach der Sowjetunion ausgewandert ist. Im Jahre 1934 wurde er von einem Beauftragten der Komintern nach Deutschland geschickt, um illegale Arbeit zu leisten. Die Anschrift des Berliner Verbindungsmannes bekam er gleich mit auf den Weg. Im Auftrag des Berliner Zentralkomitees der KPD bereiste er eine Anzahl grösserer Städte Deutschlands und zog daselbst bei Gesinnungsgenossen Nachrichten über die Betriebe ein. Für seine Tätigkeit bekam er Tagegelder. Im Juni 1935 wurde er nach Magdeburg geschickt, um die KPD zu reorganisieren und die Verbindung nach oben wieder herzustellen. Gelegentlich seiner Tätigkeit brachte er einen im B-B-Apparat in Dessau tätigen Mann, dessen Stellung daselbst stark gefährdet war, nach Berlin. Dort hatte er auch wiederholt Besprechungen mit Beauftragten des ZK. In Magdeburg wurde er mit einem Willi Jahn - dem 2. Beschuldigten - bekannt gemacht, der von Holzer den Auftrag erhielt und ausführte, einzelne Mittelsmänner in den Stadtteilen aufzusuchen, sie mit Informationen zu versehen und für Beiträge eingegangene Gelder zu kassieren. Diese Gelder führte Jahn immer an Holzer ab. Jahn erhielt hierfür eine Entschädigung in Geld. Holzer und Jahn standen in Verbindung mit weiteren Personen namens Kirsch und Wagner. Kirsch, der Schwiegervater des am 1. Juli 1935 wegen Vorbereitung zum Hochverrat zu 5 Jahren Zuchthaus verurteilten Magdeburger Funktionärs Hermann Thor, war Leiter des Stadtteils Magdeburg Neustadt, Wagner war in Magdeburg Mittelsmann im B-B-Apparat. Kirsch, der ebenso wie Jahn Wagners Tätigkeit auf diesem Gebiet kannte, hat dem Wagner einen Mann besorgt, der bei den Junkerswerken in Dessau tätig war und inzwischen auch festgenommen worden ist. Dieser Dessauer Mann hat Wagner dann mehrere Male mit dem stellvertretenden Leiter des B-B-Apparates für das Deutsche Reich, Jahnen, in Dessau besucht. Die dort abgehaltenen Besprechungen bezogen sich auf den Bau von Flugzeugen und sonstige geheimzuhaltende Dinge.“ (Rupieper, Hermann-J. & Alexander Sperk (Hrsg.): Die Lageberichte, S. 295-296)
Schon am 14. September 1935 wird Gerhard Holzer an die Stapo überstellt, am 19. September um 18 Uhr mit 12 weiteren Gefangenen zum KZ Columbiahaus am nördlichen Rand des Tempelhofer Feldes in Berlin überstellt. Nach erneuter Einlieferung in Magdeburg am 26. September erfolgt am 4. Oktober 1935 eine weitere Überstellung an die Stapo.
Am 7. November 1935 wird Gerhard Holzer des Hochverrats angeklagt. Allerdings wird der für den 13. Februar 1936 angesetzte Verhandlungstermin wegen neuen Beweismaterials abgesetzt, die Anklageschrift am 14. Juli 1936 durch eine Nachtragsschrift ergänzt und er nun auch des Landesverrats beschuldigt.
Erst am 27. Februar 1936 wird Holzer wieder in Magdeburg eingeliefert und am 4. März erneut an die Stapo überstellt.
Grundlage für diese Entscheidung liefern die Festnahme und Aussagen von Paul Weller, dem Nachfolger Rudolf Hallmeyers als Vorsitzender des KJVD im Bezirk Magdeburg, am 3. März 1936, der Holzer schwer belastet. Demnach habe Holzer eine Verbindung zu einem Kopierer der Fa. Krupp-Gruson hergestellt, der ihm eine Aufstellung über den Bau fahrbarer Untergestelle für schwere Geschütze, Angaben über tägliche Produktionsziffern und Rüstungsaufträge an die Fa. Krupp gegeben habe. Außerdem habe Holzer dem Weller eine Lichtpause von einem Langrohrgeschütz gezeigt, die dieser Kopierer angefertigt habe. Beides habe Weller allerdings nicht nach Berlin weitergeleitet, sondern verbrannt. Weller erklärt sich bereit, im Falle seiner Haftentlassung „in der Aufklärung der vorliegenden Angelegenheit in erheblichem Masse mitzuwirken“ und „als V.-Mann der Stapo zu dienen.“(14)
Lagebericht II
Der „Lagebericht der Staatspolizeistelle Magdeburg für Februar 1936 vom 5. März 1936 fasst wesentliche Arbeitsergebnisse des Dienstes noch einmal zusammen: „Am 3. 9. 1935 wurden in Magdeburg 7 Funktionäre der illegalen KPD festgenommen. Unter ihnen befand sich u.a. auch ein Funktionär namens Holzer, der bei seiner Vernehmung angegeben hatte, auch in anderen Städten, so in Leipzig, illegal gearbeitet zu haben. Holzer wurde nach seiner Vernehmung in Magdeburg, wo ihm nur ein Teil seiner strafbaren Handlung nachgewiesen werden konnte, nach Leipzig überführt. ... der pol Abteilung des Pol Präsidiums in Leipzig gelang es, ... mit einer anderen Person, Holzer vollkommen zu überführen. Bei seiner Vernehmung belastete Holzer sehr stark den gleichfalls am 3. 9. 35 in Magdeburg festgenommenen Jahn. Jahn legte daraufhin ein volles Geständnis ab. Die Vernehmungen ergaben, dass Holzer Betriebsinstrukteur für Magdeburg und Jahn Bezirksleiter der illegalen KPD Magdeburg gewesen ist.“ (Rupieper, Hermann-Josef & Alexander Sperk (Hrsg.): Die Lageberichte, S. 420-421) Für die Zeit vom 27. - 29. Februar 1936 verzeichnet der Dienst in Magdeburg die Festnahme von 24 Funktionären, darunter die Stadtteilleiter von Alte und Neue Neustadt, Buckau, Sudenburg, Wilhelmstadt und Zentrum.
Am 5. März 1936 wird auch der besagte Kopierer der Fa. Krupp-Gruson, Reinhold Julius, festgenommen. Am 15. Mai 1936 ist seine Anklageschrift fertig gestellt, am 12. Dezember 1936 die Nachtragsschrift und Julius wird - wie Gerhard Holzer - des Hoch- und Landesverrats angeklagt. Ihm wird zur Last gelegt, „im Jahre 1935 als Lichtpauser bei der Firma Krupp-Gruson Lichtpausen über Staatsgeheimnisse entwendet zu haben und sie dem geflüchteten Kurt Hallmeyer und dem bereits erwähnten Holzer in Verratsabsicht übergeben zu haben. Außerdem wird ihm zur Last gelegt, zur gleichen Zeit sich mit der Bildung einer ungesetzlichen Zelle der KPD beschäftigt, an kommunistischen Schulungsvorträgen sich beteiligt, Parteibeiträge eingezogen und sich an der Herstellung und dem Vertrieb von kommunistischen Schriften beteiligt zu haben.“ (Grundmann, Siegfried: Der Geheimapparat der KPD im Visier der Gestapo. Das BB-Ressort Funktionäre, Beamte, Spitzel & Spione. Berlin: Dietz Verl., 2008, S. 86)
Auf der Basis der Aussagen von Weller und eines Protokolls des Polizeihauptwachtmeisters der Staatspolizei in Leipzig Herbert Wilcke wird Gerhard Holzer - ohne das seine Zugehörigkeit zum BB-Apparat tatsächlich nachgewiesen wird - am 11. September 1936 zum Tode verurteilt, tags darauf, am 12. September 1936 um 9 Uhr aus der Strafanstalt Moabit in das Strafgefängnis Plötzensee überführt.
Am 27. Oktober 1936 reicht Holzers Anwalt, Rechtsanwalt Dr. jur. Adolf Ketzer, vergeblich beim Volksgerichtshof ein Gnadengesuch ein und macht geltend, „dass der Vater des Verurteilten, David Holzer, der bei Kriegsausbruch mit 41 Jahren als Freiwilliger ins Feld zog, sich vor dem Feind auszeichnete, sämtliche Isonzo-Schlachten mitmachte, und als Melder beim Stabe, nachdem er mit diesem durch einen Volltreffer verschüttet war, sich als einziger herausarbeitete und den gesamten Stab rettete“.
Das Todesurteil für Reinhold Julius ergeht am 1. Februar 1937, am 8. Februar richtet er ein Gnadengesuch an Adolf Hitler.
Am 16. März 1937 beantragt Holzers Anwalt die Wiederaufnahme des Verfahrens weil
- das Gericht nur angenommen habe, dass Holzer das erhaltene Material an Kurt Hager weiter gegeben habe,
- Weller das Material verbrannt habe,
- der vernehmende Beamte Herbert Wilcke Holzer Aussagen in den Mund gelegt habe und Holzer sich 1 1/2 Stunden weigerte, das Protokoll zu unterschreiben und
- Weller, weil flüchtig, nicht als Zeuge vernommen werden konnte.
Der Antrag wird am 12. April 1937 als unzulässig kostenpflichtig verworfen.
Am 20. April 1937 - Adolf Hitlers Geburtstag - bittet Holzer „seine Exzellenz den Führer und Reichskanzler des deutschen Volkes“ um Gnade. Er bestreitet nicht, gegen die Gesetze des Reiches verstoßen zu haben, sei allein deshalb aus Russland zurückgekehrt, weil er dazu überredet wurde und auf sich den „Vorwurf der Feigheit nicht sitzen ... lassen“ wollte. Er gesteht, in einem Fall und ohne dies zu wollen, Landesverrat begangen zu haben und zwar als er das übergebene Material weiterleitete, habe allerdings „niemals, weder vorher noch nachher, versucht Staatsgeheimnisse zu erfahren und an das Ausland zu geben. ... Auch war dem Volksgericht, als es mich als internationalen Juden brandmarkte, nicht bekannt, daß mein Vater 1914 trotz Überschreitung der Altersgrenze freiwillig, sofort an die Front ging, verwundet wurde, und Rang und Ordensauszeichnungen erhalten hat. Einer der Gründe warum sich die Ungarische Botschaft zu Berlin beim Reichsaußenministerium für meine Begnadigung verwandt hat.“ Sein Gesuch wird abgelehnt.
Am 21. Juli 1937 wird das Gnadengesuch von Julius abgelehnt. Nachdem er bereits am 12. Mai einen Wiederaufnahmeantrag gestellt hat, wiederholt er diesen am 29. Juli 1937. Am 30. Juli 1937 um 19:18 Uhr erfährt er, dass er am 31. Juli hingerichtet wird.
Letzte, nie zugestellte Briefe
Gerhard Holzer schreibt am 31. Juli 1937 an seine Mutter:
„Liebe Mutter
Eigentlich hatte ich die Absicht morgen dir zu schreiben da ich bis jetzt vergeblich auf einen Brief von dir gewartet habe, seit dem du weist wie es um mich steht. Nun schreibe ich schon früher da ich morgen nicht mehr in der Lage sein werde zu schreiben. Lass dich davon nicht mehr unterkriegen; mir kann es nichts mehr helfen und dir doch nur schaden. Denke ich sei verunglückt; in Swerdlowsk bin ich einmal um ein Haar dem Tod durch fallende Werkstücke entgangen, Scheinbar bin ich dafür aufgespart worden.
Wenn es dir zur Beruhigung dient will ich dir nur sagen daß ich vollkommen ruhig und gefasst bin. Ich habe ja auch lange Zeit genug gehabt mich damit abzufinden.
Trotzdem wundere ich mich eigentlich über mich selbst, aber ich habe schließlich kein Verbrechen begangen um irgendeinen persönlichen Vorteil zu haben sondern bin nur für meine Idee eingetreten und gehe mit ruhigem Gewissen ab.
Sicher aber ist, dass die 10 1/2 Monate schwerer zu ertragen waren, wie die paar Stunden.
Ich habe dir das Leben nicht immer leicht gemacht. Ich will aber in letzter Stunde noch sentimental werden und bitte dich nur noch dem Richard keinerlei Vorwürfe zu machen.
An dem was geschehen ist trag ich alleine die Schuld und bekomme ja auch jetzt die Quittung.
Lass dir soweit es geht die Sache nicht allzu zu Herzen gehen, grüße bitte die Verwandten nochmals und sei herzlichst gegrüßt von Gerhard“
Der Hinweis Gerhard Holzers auf die schwer zu ertragenden 10 ½ Monate darf getrost als Hinweis auf erlittene Folterqualen verstanden werden, die er erfahren hat.
Einen weiteren Brief schreibt Holzer an die Königlich Ungarische Botschaft, „um Ihnen für die Unterstützung die Sie mir haben angedeihen lassen zu danken. Wenn auch diese Unterstützung keinen Erfolg gehabt hat, was mir übrigens von vorn herein klar gewesen ist, so haben Sie sich doch für mich, den Kommunisten, in einer Weise eingesetzt, daß ich mich verpflichtet fühlte, Ihnen meinen Dank auszusprechen. ... Eins seien Sie aber versichert; für einen Landesverräter haben Sie sich nicht eingesetzt. ... das Motiv für eine solche Verurteilung ist ganz wo anders zu suchen. Nochmals meinen besten Dank. Hochachtungsvoll G. Holzer“
Einen Abschiedsbrief richtet er an seinen Freund Arthur und seine früheren Kollegen in Swerdlowsk:
„Leider haben wir uns als ich damals Swerdlowsk verließ nicht mehr gesehen. ... Es ist allerdings ein merkwürdiges Gefühl, zu wissen daß man in 5 Stunden ausgelebt hat, und wenn ich es recht bedenke so habe ich vom persönlichen Standpunkt gesehen die größte Dummheit gemacht als ich mich überreden ließ zu fahren. Aber du weißt ja, wenn dem Esel usw. Trifft auch bei mir zu. Nun ist es einmal geschehen und man kann mir wenigstens nicht den Vorwurf machen mich gedrückt zu haben. Grüße bitte Deine Frau und meine sonstigen Bekannten insbesondere in der Abteilung Eisengießerei und selbst nochmals recht herzlich von dem Freund Gerhard gegrüßt. G. Holzer“
Schließlich richtet er einen Brief an den Leipziger Polizisten Herbert Wilcke, der im Prozess gegen Holzer ausgesagt hat:
„Sie werden sich wundern, daß ich in meiner letzten Stunde noch an Sie denke. Eigentlich hatte ich vor ihnen ausführlicher ihre Rolle anzuzeigen. ... Sie haben das Gericht angelogen mit der Behauptung ich hätte einen Beschluß des K.J.Kongresses durchgeführt obwohl sie wußten daß ich niemals irgendeine Mitteilung des Kongresses bekommen haben konnte infolge der Zeitdifferenz. Sie wissen ganz genau daß ich niemals Landesverrat begangen habe oder die Absicht hatte zu begehen. Aber sie als wahrscheinlich alten Sozialdemokraten der es verstanden hat im rechten Augenblick seinen Mantel nach dem Wind zu hängen ... brauchen Erfolge um nicht zurückzustehen, auch wenn diese Erfolge nur durch Unwahrheiten Lügen erzielt worden sind. Aber gedulden Sie sich. Man wird auch Sie auf der großen Rechnung ... nicht vergessen und ich bezweifle, daß Sie, der Frontkämpfer dann genau so ruhig u. gefaßt ihrer letzten Stunde zugehen werden wie ich der jüdische Kommunist Gerhard Holzer“
Wilcke, seit 1933 förderndes Mitglied der SS und seit April zur politischen Abteilung beim Kriminalamt Leipzig gehörend, beschreibt seine Tätigkeit als Kriminal-Oberassistent als „fast restlos gegen die illegale KPD gerichtet“. Sehr anschaulich schildert er seine Vernehmungsmethoden, wozu gehört, dem Beschuldigten anzudrohen, die Ehefrau in Haft zu nehmen oder ihn der SS zu überstellen, sowie die Kinder in ein Waisenhaus zu geben. Blieben die Personen „trotz allem hart“ wurden Haftverschärfungsmittel wie Entzug des Spaziergangs, Briefsperre, Besuchssperre, Dunkelhaft und bei Widersetzlichkeit Fesselung angeordnet. Später wird bekannt, dass Wilcke durchaus Gewalt gegen Beschuldigte anwendet und - wie im Fall von Gerhard Holzer und Reinhold Julius - falsche Protokolle aufsetzt, die nicht die tatsächlichen Aussagen enthalten. In einer Vernehmung am 23. Oktober 1937 gibt Wilcke zu, von 1933 bis 1941 bei der Bekämpfung des Kommunismus etwas 1000 Ermittlungsvorgänge bearbeitet zu haben. Er habe etwa 350 Funktionäre oder Mitglieder der KPD sowie ihrer Neben- und Unterorganisationen 'auftragsgemäß festgenommen und verhört'“ (Grundmann, Siegfried: Der Geheimapparat der KPD, S. 388) 1940 wird Wilcke in das besetzte Ostgebiet versetzt und des „Kameradendiebstahls“ überführt. Er wird zu 14 Monaten Gefängnis verurteilt und aus SS und NSDAP ausgestoßen. Am 21. April 1948 wird er von der 1. Großen Strafkammer beim Landgericht Leipzig zum Tode verurteilt, wegen Verfahrensfehlern wird das Urteil am 21. September 1948 aufgehoben, Wilcke später zu lebenslangem Zuchthaus verurteilt. 1956 wird er in die Bundesrepublik entlassen.
Den letzten Abschiedsbrief richtet Gerhard Holzer an seinen Bruder Richard:
„Früher als du erwartet hast ist meine letzte Stunde gekommen ... Es ist bereits halb vier ... Übrigens habe ich auch an Mutter und an die Ung. Gesandschaft geschrieben. ... Es hat wenigstens der Zustand des ewigen Wartens ein Ende. Ich weiß daß ich bald vergessen sein werde aber es geht mir ja bloß genau so wie denen die vor mir gegangen sind und die nach mir kommen. Ich habe ja auch nicht für meine Idee gearbeitet um mal einen Glassarg zu bekommen. ...nochmals besten Dank für alles was Du für mich getan hast. Herzlichen Gruß Gerhard“
Sämtliche von Gerhard Holzer verfasste Briefe werden niemals abgeschickt, die Beförderung abgelehnt, die Adressaten nicht informiert.
Am 31. Juli 1937 um 6 Uhr wird Gerhard Holzer hingerichtet, Reinhold Julius nur 5 Minuten später.
Die Urne Gerhard Holzers wird am 9. August 1937 auf dem Friedhof Marzahn bestattet, später kann die Ungarische Gesellschaft erwirken, dass die Urne am 2. Juni 1938 im Grab des Vaters auf dem Jüdischen Friedhof in Weißensee (Feld B7, Reihe 7) beigesetzt wird. Der Grabstein verzeichnet auch den Namen von Sophie Holzer.
Gerhard Holzers Name findet sich (obwohl er kein Magdeburger ist) wie der von Reinhold Julius auf dem Mahnmal für die Magdeburger Widerstandskämpfer im dortigen Steubenpark.
Sophie Holzer wird am 26. Oktober 1943 mit einem Sondertransport von 45 ausländischen Juden von Berlin nach Ravensbrück deportiert, wo sie mit der Häftlingsnummer 24 342 als Hilfskraft eingesetzt wird, ehe sie am 3. Oktober 1944 nach Auschwitz deportiert und dort ermordet wird.
Ihr Bruder Salomon stellt am 24. Juli 1945 aus London Nachforschungen nach ihrem Verbleib an und gibt an, im September 1939 zuletzt Kontakt zu ihr gehabt zu haben.
Richard Holzer, Gerhards älterer Bruder, ist schon seit 1933 in die illegale Parteiarbeit der KPD einbezogen. Er arbeitet bei dem Bekleidungsunternehmen Schloemer & Wyndorps in der Kommandantenstr. 18 und schließt sich der Herbert-Baum-Gruppe an und gehört bald zu deren Leitung. Er ist aktiv an der marxistisch-leninistischen Erziehung und Schulung der Mitglieder beteiligt sowie an der Herausgabe illegaler Schriften.
Zu den Mitgliedern der Herbert-Baum-Gruppe gehört auch Erika Charlotte „Lotti“ Paech, die im Jüdischen Krankenhaus in Berlin-Gesundbrunnen arbeitet. Sie ist am 7. Dezember 1909 in Berlin als Charlotte Abraham geboren, ihre - inzwischen geschiedenen - Eltern sind der Kaufmann Max Abraham und seine Ehefrau Margarete, geborene Doeblin. Nach dem Besuch der Mittelschule wird sie Säuglings- und Krankenschwester und ist seit 1927 im Jüdischen Krankenhaus tätig. Sie ist Mitglied der Deutsch-Jüdischen Jugendgemeinschaft, seit 1932 Mitglied der KPD und der illegalen Betriebszelle am Jüdischen Krankenhaus. Seit dem 21. März 1933 ist sie mit dem am 11. Oktober 1905 in Berlin geborenen Rundfunktechniker Gustav Rudolf Ernst Paech verheiratet. Die beiden haben ein gemeinsames Kind, die am 21. August 1933 geborene Tochter Eva und wohnen Zechliner Str. 6. Auch Gustav Paech gehört der Herbert-Baum-Gruppe an. Er wird am 27. November 1934 vom 2. Strafsenat des Kammergerichts zu Berlin wegen Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens zu einem Jahr und 2 Monaten Gefängnis verurteilt (Pr.Br.Rep.30 Berlin C Tit. 198 Kriminalakten). Am 8. Januar 1938 wird das Ehepaar Paech geschieden.
Richard Holzer und Charlotte Paech nehmen an der Beisetzung der Urne von KJVD-ZK-Mitglied Rudolf „Rudi“ Arndt(15) teil, der am 3. Mai 1940 im KZ Buchenwald ermordet wird.
Holzer ist an der Beschaffung von Ausweisen französischer, holländischer und belgischer Zivilarbeiterinnen und -arbeiter beteiligt, die es Juden ermöglicht, sich ohne den Davidstern im öffentlichen Raum zu bewegen. (Pikarski, Margot: Jugend im Widerstand. Herbert Baum und Kampfgefährten. 2. Aufl. Berlin: Militärverl. der DDR, 1978, S. 116) Im Mai/Juni 1942 besucht Holzer die Ausstellung „Das Sowjetparadies“, um die Möglichkeiten zu eruieren, dort Flugblätter auszulegen.
Am 20. Januar 1942 wird der Arzt Dr. med. James Laboschin (* 9. November 1895, Berlin) auf Verfügung der Staatsanwaltschaft in Berlin verhaftet und in der Untersuchungshaftanstalt Berlin-Moabit inhaftiert. Am 3. Juni 1942 verurteilt die I. Strafkammer des Landgerichts Berlin Laboschin, die Arbeiterin Gertrud Süss und die Krankenschwester Charlotte Paech wegen gewerbsmäßiger Abtreibung, Laboschin wegen Abtreibung in zwei Fällen zu einem Jahr und sechs Monaten Gefängnis, Süss wegen Abtreibung zu fünf Monaten Gefängnis und Paech wegen Beihilfe zu einem Monat Gefängnis. Am 11. Juni 1942 teilt die Kriminalpolizeileitstelle dem Vorstand des Strafgefängnisses Berlin-Tegel (wo Laboschin seine Strafe verbüßt) mit, dass gegen den Inhaftierten polizeiliche Vorbeugungsmaßnahmen ergriffen werden sollen, er nach Strafverbüßung in das Polizeigefängnis Berlin einzuliefern ist. James Laboschin wird am 27. Januar 1943 in das Konzentrationslager Auschwitz überführt, wo er am 22. Februar 1943 ermordet wird.
Charlotte Paech verbirgt sich nach Verbüssung der Strafe mit Richard Holzer in einer Wohnung in der Neanderstr. 7 (Pikarski, Margot: Jugend im Widerstand, S. 126), ehe sich Richard Holzer nach Ungarn absetzen kann. Charlotte Paechs Versuche, sich einen Ausweis zu beschaffen, schlagen fehl, sie wird am 7. Oktober 1942 verhaftet und in der Pathologie des Jüdischen Krankenhauses in der Iranischen Straße inhaftiert, kann von dort aber bei einem Fliegeralarm entfliehen und sich unter falschem Namen verbergen.
Am 20. Mai 1943 wird Charlotte Paech zusammen mit Kurt Bernhardt, Martin Joseph und Wilhelm Markstahler wegen Kriegswirtschaftsverbrechen - sie haben mit Bescheinigungen für Bezugsberechtigungen gehandelt oder diese angekauft - verurteilt, Paech wegen Vergehens gegen die Verbrauchsregelungs-Verordnung zu einem Jahr und sechs Monaten Gefängnis.
Gustav Paech wird am 16. Juli 1943 vom Kammergericht in Berlin wegen Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens zu zwei Jahren Zuchthaus verurteilt (Rep.29 Haftanstalt Brandenburg 152.52), die er vom 5. August 1943 bis zum 15. Juli 1945 in Zuchthaus und Sicherungsanstalt Brandenburg-Görden (Zugangs-Nr. 1136 No. 43), im KL Neuengamme und im KL Sachsenhausen verbüsst.
Richard Holzer wird in Ungarn zur Zwangsarbeit eingezogen und in das von der ungarischen Armee besetzte Gebiet der UdSSR verbracht. Im März 1944 läuft er zur Roten Armee über.
Im Sommer 1944 gelingt Charlotte Paech die Flucht, sie taucht in einem französischen Zwangsarbeiterlager des Flugzeugwerkes „Arado“ in Anklam unter.
Im August 1945 wird Richard Holzer nach Ungarn entlassen und dort Mitglied der Kommunistischen Partei.
Gustav Paech stirbt am 20. Juli 1945 im Krankenhaus der jüdischen Gemeinde in Berlin (Todesursache(n): Zellgewebserweiterung 1. Oberschenkel, Lungentuberkulose, Kreislaufschwäche).
Charlotte und Eva Paech, die gemeinsame Tochter von Charlotte und Gustav Paech, erklären am 30. November 1946 nach Palästina ausreisen zu wollen. Eva Paech hat zunächst die II. Private Mädchenvolksschule der Jüdischen Kultusvereinigung zu Berlin in der Kaiserstr. 29/30 besucht und wechselt - wegen der Schließung der Schule - in der 2. Klasse am 26. Juli 1942 an die 31. Schule Zechlinerstraße Nr. 4 im Wedding. 1943 lebt sie eine Zeitlang bei der Großmutter väterlicherseits, Wally Adelheid Hedwig Paech, geb. Borchert, in der Grüntalerstr. 37 in Berlin-Gesundbrunnen und besucht anschließend eine Einrichtung der Jugend-Aliyah in Hamburg. Im Mai 1947 reist Eva Paech allein nach Palästina aus. Sie lebt dort und stirbt in Petach Tikwa in Israel am 3. Mai 2022, nun unter dem Namen Chava Kirer.
1947 heiraten Charlotte Paech und Richard Holzer in Ulm, am 2. Juni 1947 kommt ein gemeinsamer Sohn zur Welt, der bald nach der Geburt verstirbt. Die Eheleute kehren nach Berlin zurück und wohnen Kronprinzessinnenweg 24. Richard Holzer übernimmt verschiedene Funktionen im Außenhandel der DDR. Charlotte Holzer beginnt ein Medizinstudium, wird aber bald arbeitsunfähig und Frührentnerin. Sie wird 1953 Mitglied der SED, Schöffin am Stadtbezirksgericht Berlin-Pankow und ist in der Säuglings-und Schwangerenfürsorge tätig, 1974 wird ihr der Vaterländische Verdienstorden in Bronze verliehen.
Richard Holzer stirbt am 21. Februar 1975 in Berlin, Charlotte Holzer am 29. September 1980. Beide werden auf dem Jüdischen Friedhof Weissensee beerdigt.
Literatur
- Grashoff, Udo: Gefahr von innen. Verrat im kommunistischen Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Göttingen: Wallstein-Verl., 2021
- Grundmann, Siegfried: Der Geheimapparat der KPD im Visier der Gestapo - das BB-Ressort. Funktionäre, Beamte, Spitzel und Spione. Berlin: Dietz Verl., 2008
- Herlemann, Beatrix: „Wir sind geblieben, was wir immer waren, Sozialdemokraten“. Das Widerstandsverhalten der SPD im Parteibezirk Magdeburg-Anhalt gegen den Nationalsozialismus 1930-1945. Halle/Saale: mdv Mitteldeutscher Verl., 2001
- Pikarski, Margot: Jugend im Widerstand. Herbert Baum und Kampfgefährten. 2. Aufl. Berlin: Militärverl. der DDR, 1978
- Rupieper, Hermann-Josef & Alexander Sperk (Hrsg.): Die Lageberichte der Geheimen Staatspolizei zur Provinz Sachsen 1933 - 1936: Bd. 1 Regierungsbezirk Magdeburg. Halle: Mitteldeutscher Verl., 2003
Fußnoten (Nach oben)
1 Kurt Hager (1912 -1998), 1931 Abitur; 1929 Kommunistischer Jugendverband Deutschland; 1930 KPD; journalistische Tätigkeit; 1933 mehrere Monate KZ Heuberg, nach der Freilassung bis 1936 antifaschistische Arbeit; 1936 Inhaftierung in der Schweiz, danach Aufenthalt in Paris; 1937-39 Teilnahme am spanischen Bürgerkrieg, zu Zuchthausstrafe verurteilt; 1939 Internierung in Frankreich; Exil in England; 1941-1946 Forstarbeiter, Schweißer und journalistische Tätigkeit in England; 1946 Rückkehr nach Deutschland, wo er Abteilungsleiter im Parteivorstand wird; Sekretär des ZK der SED; Mitglied des Politbüros; Abgeordneter der Volkskammer, Ausschuss-Vorsitzender; Mitglied des Präsidiums des Forschungsrats; Mitglied des Staatsrats; Promotion; November 1989 aus dem Politbüro des ZK der SED, dem Staatsrat und anderen Funktionen ausgeschieden; Januar 1990 Ausschluss aus der SED-PDS.
2 Hermann Amter (1897-1944), Seemann, USPD, dann KPD, KPD-Org.-Leiter des Stadtteils St. Pauli. Verhaftung am 21./21. März 1933. Am 29. Juni 1935 „auf freien Fuß gesetzt“, „aus taktischen Gründen entlassen“. Instrukteur der Hamburger KPD. Festnahme am 4. August 1941. Anklage am 28. Februar 1942. Mit Urteil des Volksgerichtshofes am 2. Juni 1942 zu 8 Jahren Zuchthaus verurteilt. Erneute Anklage am 30. Oktober 1943 und am 10. Dezember 1943 vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt. Erfolglose Gnadengesuche. Auf dem Transport verletzt sich Amter am 24. Januar 1944 schwer, der untersuchende Arzt befindet allerdings, dass Amter „vollstreckungsfähig“ ist. Am 24. Januar 1944, 15 Uhr, wird Amter hingerichtet. Vgl. Grashoff, Udo: Hermann Amter - „Lump“ oder Märtyrer? In: Grashoff, Udo: Gefahr von innen. Verrat im kommunistischen Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Göttingen: Wallstein-Verl., 2021, S. 288-302
3 Gestapa = Geheimes Staatspolizeiamt, ab Juni 1936 Geheime Staatspolizei (Gestapo)
4 Rudolf Hallmeyer (1908-1943), Sohn eines Buchdruckers, Rohrleger. 1924 Mitglied der kommunistischen Jugend, 1931 der KPD. 1932 Stadtverordneter in Plauen. Im März 1933 Flucht und illegal in Meerane. Instrukteur der KPD-Bezirksleitung Sachsen. 1934 Emigration in die CSR, KJVD-Instrukteur in Magdeburg und Hannover. Im September 1935 Teilnehmer des VI. Weltkongreß der Kommunistischen Jugendinternationale (KJI) in Moskau und Besucher der Internationalen Lenin-Schule. Ende 1937 in Prag und illegal in Berlin, Ende 1938 in Göteborg, Ende Juni 1940 über Stettin nach Berlin. Nach Kontakten zu früheren Genossen in Magdeburg, Halle und Dresden am 24. August 1940 in Berlin festgenommen. Rudolf Hallmeyer wird am 5. August 1943 vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt und am 8. September 1943 in Berlin-Plötzensee hingerichtet.
5 Alfred Fichtner, Jg. 1917, Besuch der weltlichen Schule, Mitglied der Roten Falken. des Arbeitersportvereins Fichte und der SAJ, deren Buckauer Gruppe er vor 1933 leitet, verbreitet in seinem Betrieb, der Blechschmiede der Fa. R. Wolf in Magdeburg-Buckau die „Tribüne“, die „Junge Garde“ und selbstgefertigte Flugblätter.
6 Heinz Golessa (1917-1982), geb. 1. September 1917 in Magdeburg. 1923-1932 Besuch der weltlichen Versuchsschule Magdeburg-Buckau. 1929 Mitglied der „Roten Falken“, 1931 Mitglied der Sozialistischen Arbeiter-Jugend (SAJ). 1932-1937 Lehre als Maler. 1934 Mitglied des Kommunistischen Jugendverbandes Deutschlands (KJVD), als Leiter des Stadtteils Magdeburg-Buckau des KJVD an der Herstellung und dem Vertrieb illegaler Schriften und Flugblätter beteiligt. August 1935 wegen politischer Tätigkeit für den KJVD in Schutz- und Untersuchungshaft, nach fünfwöchiger Haft wird das Verfahren wegen unzureichender Beweismaterialien eingestellt. März 1936-1939 Verurteilung wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ zu drei Jahren und sechs Monaten Zuchthaus, Inhaftierung in der Strafanstalt Coswig-Anhalt. September 1939-19. April 1941 Konzentrationslager Buchenwald. April 1941-November 1942 Konzentrationslager Sachsenhausen. November 1942-April 1945 Konzentrationslager Flossenbürg. April-Juli 1945 auf dem Evakuierungsmarsch von Flossenbürg nach Dachau geflohen und von den Amerikanern in Bad Kreuznach interniert. August 1945 Anerkennung als Opfer des Faschismus (OdF); Mitglied der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD). September 1945-1946 Verwaltungsangestellter im Magistrat von Groß-Berlin. April 1946 Mitglied der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) und des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes (FDGB). 1946-1947 Arbeit in der Bildstelle der Zentralverwaltung für Volksbildung, Berlin. 1947-1949 Leiter der Abteilung Verkehr im Hauptausschuss "Opfer des Faschismus" bzw. bei der „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes“ (VVN) beim Magistrat von Berlin. März-September 1949 Mitarbeiter in der Abteilung Verkehr des ZK der SED. 1949-1951 Disponent bei der Deutschen Ein- und Ausfuhrgesellschaft mbH (DEAG) später Deutsche Wirtschaftsverwaltung (DWV), Berlin. 1952-Februar 1956 Stellvertretender Geschäftsführer der Firma Handelsvertretungen GmbH, Berlin. März 1956-1957/1958 Betriebsleiter der Handelsgesellschaft Merkuria GmbH, Berlin. 1958 Auszeichnung mit der Medaille „Kämpfer gegen den Faschismus“. April 1958-1961 Länderreferat in der Abteilung Handelspolitik der Exportfirma WIRATEX GmbH, Berlin. Oktober 1959 Auszeichnung mit der „Verdienstmedaille der DDR“. August 1962-Mai 1963 Stellvertretender Leiter der Abteilung Handelspolitik im Außenhandelsbereich WIRATEX. Mai 1963-Dezember 1966 Mitarbeiter der Kammer für Außenhandel der DDR, Vertreter der Außenhandelsunternehmen der Leichtindustrie in der Vertretung der DDR in Athen/Griechenland. Januar 1967-Mai 1978 Stellvertretender Leiter der Abteilung Handelspolitik beim Außenhandelsunternehmen WIRATEX GmbH, Berlin. 1977 Auszeichnung mit dem „Vaterländischen Verdienstorden in Bronze“. Mai 1978 Ausscheiden aus dem Berufsleben. Im März 1982 in Berlin verstorben.
7 Willi Jahn (1896-1986), Bäcker und seit 1930 KPD-Mitglied, 1934 und 1935 erst Bezirksleiter der Roten Hilfe, schließlich kurze Zeit Bezirksleiter der KPD Magdeburg-Anhalt. Am 9. September 1935 verhaftet, soll Jahn nach Aussagen politischer Weggefährten für die einsetzende Verhaftungswelle der Gestapa mitverantwortlich gewesen sein, da er zahlreiche Namen preisgab. Der Volksgerichtshof verurteilt ihn am 27. November 1936 zu zwölf Jahren Zuchthaus, die er im „Roten Ochsen“ von Halle/S. verbüßt. Auch in dieser Zeit soll er sich nicht parteikonform verhalten haben. Von 1945 bis 1949 arbeitet Jahn bei verschiedenen Polizeidienststellen, bevor er wegen Krankheit arbeitsunfähig wird. 1947 leitet man auf Grund massiver Vorwürfe früherer Weggefährten eine Untersuchung von Jahns Verhalten in der NS-Zeit ein. Die Beschuldigungen können nie eindeutig geklärt werden, allerdings erhält Jahn keine seiner Haftzeit entsprechenden Auszeichnungen.
8 Karl Wagner (1891-1965), 1923 in Magdeburg Mitglied der KPD, Leiter eines Stadtteils, ab 1924 im illegalen Nachrichtenapparat der KPD tätig. 1935 verhaftet und im November 1936 vom Volksgerichtshof Berlin zu acht Jahren Zuchthaus verurteilt. Die Strafe verbüßt er im Zuchthaus Roter Ochse in Halle (Saale). Am 27. September 1943, dem Tag seiner Entlassung, von der Magdeburger Gestapo festgenommen und nach siebenwöchiger Schutzhaft im Magdeburger Polizeigefängnis in das KZ Buchenwald deportiert. Nach 1945 Gründung der Ortsgruppe Neue Neustadt der KPD. Von 1946 bis 1949 gehört er der Kriminalpolizei, von 1949 bis 1955 der Hauptverwaltung zum Schutze der Volkswirtschaft bzw. dem Ministerium für Staatssicherheit der DDR (MfS).
9 Johannes Kirsch (1891-1951), gelernter Sattler, war von Mai 1933 bis zu seiner Verhaftung am 3. September 1935 Leiter der KPD-Gruppe im Magdeburger Stadtteil Alte Neustadt. Bis zum Prozeß in Untersuchungshaft, wird er vom Volksgerichtshof am 27. November 1936 zu fünf Jahren Zuchthaus verurteilt. Ende Dezember 1940 aus der Haft entlassen, arbeitet er wieder illegal in diesem Stadtteil. Kirsch stirbt 1951 an Tbc, die er sich während der Haft zugezogen hat.
10 Walter Schlag (1914-1981), Mitglied des KJVD, bis Mitte 1935 Emigration in die CSR, im September 1935 verhaftet und am 22. Februar 1936 vom Volksgerichtshof zu 14 Jahren Zuchthaus verurteilt. Ab 1945 Geschäftsführer der KPD-Bezirksleitung Halle bzw. ab 1946 des SED-Landesvorstandes Sachsen-Anhalt und in der Kasernierten Volkspolizei (KVP), schied 1970 als Oberstleutnant aus der NVA aus.
11 Ewald Jahnen (1901-1936), Schlosser. Mitglied der USPD, 1920 der KPD. 1925 Mitbegründer des RFB in Essen, seit 1930 Mitarbeiter des AM-Apparates der KPD. 1932/33 unter dem Decknamen Egon Kursant an der M-Schule der Komintern in Moskau. Nach Rückkehr stellvertretender Reichsleiter im BB-Ressort des AM-Apparates der KPD. Über Jahnen liefen wichtige Informationen aus dem Heereswaffenamt und aus der bei Osram agierenden Gruppe um den Ingenieur Dr. Felix Bobek und Gerhard Diehl zusammen. Durch Verrat flog die Gruppe auf, Jahnen wurde am 16. Mai 1935 verhaftet. Schwer mißhandelt, unternahm er einen Selbstmordversuch, als die Gestapa versuchte, ihn zum Verrat zu bewegen. Ewald Jahnen starb am 6. März 1936 im Gefängnis Moabit an den Folgen der Folterungen im KZ Columbiahaus.
12 Wilhelm Bahnik (1900-1938), 1918 Soldat; ab 1919 Versicherungsangestellter in Magdeburg, 1921 Mitglied der SPD, 1923 Wechsel zur KPD. 1925 Mitglied der Bezirksleitung Magdeburg-Anhalt und Leiter des AM-Apparates. Am 4. Juni 1927 in Magdeburg verhaftet und am 3. April 1928 vom 4. Strafsenat des Reichsgerichts zu zwei Jahren und neun Monaten Festung verurteilt, kam aber im Sommer 1928 durch eine Amnestie frei. 1928 bis 1930 offiziell als Druckereihilfsarbeiter bei der Peuvag-Filiale in Magdeburg-Sudenburg, tatsächlich aber illegal weiter für den zentralen AM-Apparat tätig. Nach einem Lehrgang an der M-Schule der KI in Moskau 1930/31 Mitarbeiter des ZK der KPD. Unter der Leitung von Hans Kippenberger agierte Bahnik unter verschiedenen Pseudonymen wie Theo, Martin oder auch Ewald. Nach 1933 leitete er in Berlin den BB-Bereich im AM-Apparat. Im März 1935 in die UdSSR emigriert, wurde Bahnik 1936 in Deutschland in Abwesenheit zum Tode verurteilt. Nach einer Ausbildung an der Sonderschule der Moskauer Militärakademie in Rjasan ging er im Oktober 1936 nach Spanien und war unter dem Namen Fernando Leiter der Kaderarbeit der Internationalen Brigaden in Albacete. Ab Herbst 1937 als Offizier im „Edgar-André-Bataillon“ im Fronteinsatz, fiel Bahnik am 12. März 1938.
13 Gerhard Holzer ist nur 1,59 m groß.
14 Trotz seiner Bereitschaft als V-Mann der Stapo zu dienen, wird Weller am 7. Mai 1937 vom Volksgerichtshof „wegen Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens zu einer Zuchthausstrafe von vier Jahren“ verurteilt.
15 Rudolf „Rudi“ Arndt (1909-1940), geboren am 26. April 1909 in Berlin, Sohn einer jüdischen Lehrerfamilie, lernte Schriftsetzer, war Landarbeiter und gehörte von 1924 bis 1926 der zionistischen Jugendbewegung an. Als Führer der Opposition der jüdischen Jugendbewegung (»Schwarzer Haufen«) organisierte er 1927 den Übertritt des größten Teils der Mitglieder des »Schwarzen Haufens« in die Rote Jungfront, der Jugendorganisation des RFB. Er ging 1928 zum KJVD, wurde Mitglied der Bezirksleitung Berlin-Brandenburg. Im April 1931 wegen »antimilitaristischer Propaganda« vom Reichsgericht zu zweieinhalb Jahren Festung verurteilt, die er in Groß-Strehlitz verbüßte. Nach seiner Freilassung Mitte Oktober 1932 bis Juni 1933 im KJVD im Ruhrgebiet, wurde er im Februar 1933 Leiter des illegalen Apparates (Post, Quartier und Kurierdienst) und Mitglied des Sekretariats des ZK des KJVD an der Seite von Fritz Grosse, Erich Jungmann u. a. Ende 1933 festgenommen und am 15. Oktober 1934 zu drei Jahren Zuchthaus verurteilt, anschließend kam er in das KZ Sachsenhausen, zuletzt in das KZ Buchenwald. Dort kommt Rudolf Arndt am 3. Mai 1940 in Folge von Mißhandlungen ums Leben.