Otto Gross an Frieda Weekley
Meine Geliebte, ich bitte Dich, schreib mir bald - denk' Dir, ich bin ein wenig in Sorge. Ich muss dazu sagen : ich habe jetzt mit meiner Entwöhnungscur begonnen - ich bin darum zu einer gewissen inneren Unruhe disponiert - von Dir nun hab' ich ziemlich lange schon keine Nachricht mehr, und darum wenden sich solche Sorgen an Dich. Sonst hab' ich eigentlich verhältnismäßig am wenigsten Angst um Deine Liebe - ich glaube, gerade Du veränderst Dich wohl kaum ohne Grund - gerade Du, wie ich Dich zu verstehen glaube - Du könntest wohl einen Andern viel lieber als mich bekommen und dabei unverändert mir Deine Liebe gerade so wie bisher bewahren. Nicht wahr, Geliebte, ich verstehe Dich doch recht, nicht wahr? Ich fühle uns beide von einer so klaren tiefen festen Freundschaft verbunden - über der sonnigen Freude an uns - zum heissen Sinnen und ihrem prachtvollen Ineinander-Aufgehen von einer so starken und klugen Freundschaft, von einem Wissen unserer Seelen um Einander und einem hellen Jubel in diesem Wissen - gerade in diesem klugen Wissen- Geliebte, nicht wahr, das Alles kann doch nicht verdunkelt werden in Deiner Seele - Das bleibt doch, nicht wahr? - Oh Du, es macht wohl arg ver- wundbar, macht arg gefährdet, reich zu sein - vor Allem : an Liebe reich zu sein - - - -
Ich habe arg viel Sehnsucht nach Dir - und heute noch besonders, heut habe ich eine Frau zum Fenster herausgelehnt gesehen, die einen Schlafrock getragen hat wie damals Du - - - - mein goldenes Friedele Du ! Jetzt möcht ich Deinen lieben lieben Kopf so eng und innig an mich drücken, möchte Dir zärt- lich keine Dinge sagen - Türkenpferde möcht' ich sagen und solche Dinge - und drum müsstest Du wieder in Deinem blauen Mantel sein - mit dem sich das Mühsam- Friedele [1] seither sehr schön und wichtig ge- macht hat ! - die müsste ihn auf eine Nacht wieder uns zurückgeben und Du müsstest dann wieder den blauen Mantel an haben - nur den blauen Mantel - - - - Du, nicht wahr, das ist ganz bestimmt, dass Du herüberkommst, wenn ich nach Holland gehe [2] - dass Du, wenn wir das Leben haben und gesund sind und Alle, die wir lieb haben auch - dass Du dann unter allen Umständen herüberkommst ? Ich muss Dich sehen - - - -
1) Gemeint ist Otto Gross' Frau Frieda, die ein Verhältnis mit Erich Mühsam begonnen hatte 2) vermutlich im September 1907. Gross will am Kongreß für Neuro-Psychiatrie in Amsterdam teilnehmen, der vom 2.-7. September 1907 stattfindet, und dort referieren
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