Das Internationale Freundschaftsheim (IFH) in Bückeburg (1967). Foto: Museum Bückeburg, Sammlung WeißHort von Friedensarbeit und Gewaltlosigkeit ...

Die Entstehung des Internationalen Freundschaftsheimes (IFH) ist eng mit der Person des Pfarrers Wilhelm Mensching verknüpft. Er gründete das Heim 1948 als Reaktion auf den 2. Weltkrieg und als Symbol des Neuanfanges. Bereits vor dem Krieg war Mensching im Internationalen Versöhnungsbund tätig. Mit Hilfe von Unterstützern aus dem Versöhnungsbund sowie Spenden aus der Region und der ganzen Welt konnte in der Folgezeit ein Ensemble von Wohn- und Seminarhäusern errichtet werden. Zahlreiche Tagungen, Kurse und Bildungsveranstaltungen fanden in Bückeburg auf dem Weinberg statt. Interessierte widmeten sich den Themen Friedensarbeit und Gewaltlosigkeit, regelmäßig mit internationaler Beteiligung.

Träger des Freundschaftsheims war zunächst ein Verein, dem ein Kuratorium vorstand. Ab 1965 existierte ein Förderkreis für das Freundschaftsheim, von 1966 unterstützten die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) und die Evangelische Kirche der Union das Heim. In den 1970er Jahren erfolgte die Umwandlung der Einrichtung in eine Heimvolkshochschule, die Betreuung von Kriegsdienstverweigerern gewann an Bedeutung. Trotz teils hoher Auslastung war das Freundschaftsheim früh von Schließung oder Übernahme bedroht, 1986/87 kam es tatsächlich zu Aufgabe und Abriss der Einrichtung, zu der eine Zeit lang auch die Weinberg-Mühle gehörte (vgl. Wikipedia).

... und zeitweilig des Antiimperialismus

Werner Gebert, von 1971 bis 1972 Pastor und Heimleiter im IFH, schildert seine Erlebnisse mit den ausgeprägten antiimperialistischen Bestrebungen in dieser Zeit:

Wir pflegten bewusst ein offenes Haus. Das hatte zur Folge, dass auch Mitglieder der maoistischen „Liga gegen den Imperialismus“, der sog. Massenbewegung der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD), öfters bei uns auftauchten und mit uns über Gewaltfreiheit bzw. „Sieg im Volkskrieg“ diskutieren wollten. Keiner konnte die andere Seite überzeugen, doch lernte man sich besser kennen und bis zu einem gewissen Grade respektieren.

Die Liga-Leute waren in der ganzen schaumburg-lippischen Gegend aktiv, vor allem in der Solidaritätsarbeit mit dem vietnamesischen Volk. Das wurde von großen Teilen der Bevölkerung zumindest toleriert. Das änderte sich, als die Liga in einer Flugblattaktion die Lehrlingsausbildung in einer Glasfabrik in Stadthagen kritisierte. Nachdem es morgens um sieben zu einer Rangelei - es gab keine Verletzten - mit dem Werkschutz gekommen war, bekamen die Liga-Leute nirgends mehr einen Raum für ihre Treffen. Da fragten sie mich an, ob sie ihre Marx-Lektüre (vierzehntägig) in unserer Teestube abhalten könnten.

Diese Anfrage stürzte mich in Schwierigkeiten. Ich wollte nicht einfach nein sagen, doch hätte ich eine Zusage nicht ohne Zustimmung des IFH-Vorstands geben können. Hätte ich ihn aber gefragt, wäre ein klares Nein die Folge gewesen. Eine Zusage unter Umgehung des Vorstands wäre von ihm sicher als Vertrauensbruch verstanden worden. Ich suchte Argumente für eine Zusage und glaubte sie in Entscheidungen über das damals viel diskutierte „Programm zur Bekämpfung des Rassismus“ des Weltkirchenrats gefunden zu haben. Dieser unterstützte moralisch und auch mit geringen Finanzmitteln einige Befreiungsbewegungen im Südlichen Afrika, obwohl klar war, dass diese (Gegen-)Gewalt anwendeten. Für mich war in dieser Diskussion auch eine Aussage von Papst Paul VI in der Enzyklika "Populorum progressio" maßgeblich: 'Jeder revolutionäre Aufstand - ausgenommen im Fall der eindeutigen und lange dauernden Gewaltherrschaft, die die Grundrechte der Person schwer verletzt und dem Gemeinwohl des Landes schwer schadet - zeugt neues Unrecht, bringt neue Störungen des Gleichgewichts mit sich, ruft neue Zerrüttung hervor.' Die in der Paranthese gemachte Einschränkung rechtfertigt m.E. einen revolutionären Widerstand. Der Weltkirchenrat drückte sich etwa so aus: Wir sind solidarisch mit den Unterdrückten, schreiben ihnen aber nicht vor, mit welchen Waffen sie sich wehren dürfen. Das leuchtete mir ein, doch wurde mir dabei auch klar, dass ich damit von der grundsätzlichen Gewaltfreiheit des IFH abrückte. Ich gab den Liga-Leuten auf eigene Faust eine Zusage für die Teestube. Nach wenigen Wochen erfuhr der Vorstand davon, betrachtete die Zusage als Vertrauensbruch und empfahl, dass wir uns gütlich trennen sollten.

Ja, das waren turbulente Zeiten - und so wundert es nicht, dass bei Werner Gebert, dem wir unendlich zu Dank verpflichtet waren, einiges durcheinander geht: „Marx-Lektüre (vierzehntägig)“ haben wir nicht im IFH betrieben, wohl aber dort Lê-Duẩns „Die vietnamesische Revolution“, natürlich die Ausgabe vom Verlag Rote Fahne (1970), bei den Treffen des Vietnamausschusses studiert. Die Flugblattaktion, die schließlich in eine Auseinandersetzung mit dem Werkschutz eskalierte, hatte sich vor den Toren der Glasfabrik Heye in Obernkirchen zugetragen (in Stadthagen gibt es gar keine Glasfabrik). Der „Niederlassung“ im IFH war außerdem die Ausquartierung bei Willi Jansens Tankstelle in Obernkirchen vorausgegangen. Dort hatte dieser - wenngleich DKP-Angehöriger - uns seinen Fahrschulraum zur Verfügung gestellt, den wir nutzen konnten, bis eines Tages die DKP-Kader Willi Orczykowski und Ferdl Pieck aus Hannover aufschlugen, die feststellten, dass wir auch Schriften von KPD(-AO) und -ML vorhielten und uns kurzerhand verbannten. (Meinen Einwand, man solle sich doch etwas toleranter verhalten, konterte ausgerechnet Bernd Ziesemer mit den Worten „Toleranz ist eine bürgerliche Eigenschaft!“) So kam uns der „Umzug“ ins IFH gelegen, das - bis zur bedauerlichen Trennung - nun erst einmal zur festen Anlaufstelle wurde.

Reinhard Kranz, damals fast immer dabei, beleuchtet bei von ihm mitgeteilten Erinnerungen ein Erlebnis der „anarchistischen Demilitarisierung“:

Im Sommer gab es dort öfter Lagerfeuer. Eines Abends ging das Brennholz zur Neige. Irgendjemand konnte sich erinnern, dass auf dem gegenüberliegenden Übungsplatz der Jägerkaserne ein aus Baumstämmen gebautes Klettergerüst stand. Inwieweit die dann folgende Aktion inhaltlich diskutiert und mit einem Überbau legitimiert wurde, ist mir nicht mehr erinnerlich. Auf jeden Fall war als Stimulanz Alkohol im Spiel. Mit einem R4 sind wir dann auf den Übungsplatz gefahren und haben das Gerüst zerlegt (ob und welches Werkzeug dabei verwendet wurde, ist nicht überliefert). Der Abtransport war dann aber etwas umständlich. Die Stämme waren zu lang und ragten hinten einige Meter aus dem R4 heraus. Wir mussten die Stämme festhalten und hinter dem Auto herlaufen, was nicht einfach war. Das Feuer hat dann die ganze Nacht gebrannt. Ob es in der Folge zu Ermittlungen der Polizei oder der Feldjäger gegeben hat, weiß ich nicht mehr.

Heute erinnert nur mehr eine Gedenktafel am Kreisel Weinberg an die geschichtsträchtige Einrichtung, die zur Zeit ihrer Existenz Zugereiste aus ganz Europa generierte und durchaus Kultstatus besaß. Peinlich, dass diese Rolle in Bückeburg mitunter ausgerechnet dem Hubschrauber-Museum, das 1961 mit der bei US-amerikanischen Napalm-Einsätzen in Vietnam eingesetzten Bell UH-1D aufmachte, zugewiesen wird.

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