- Name:
- Erdmann, Joseph
- Geboren:
- 4. Dezember 1900, Labischin Krs. Schubin
- Bio:
Hilfsarbeiter, Heizer und Schlosser in Bromberg, dann in Essen, seit 1922 in Berlin. 1918 Mitglied der USPD, 1920 der KPD. 1926 Bezirksverordneter in Berlin-Neukölln, wegen seiner Aktivitäten für die linke Opposition im Mai 1927 aus der KPD ausgeschlossen, im Mai 1928 nach „Selbstkritik“ wieder aufgenommen. Von 1929 bis 1933 Stadtverordneter der KPD in Berlin sowie Funktionen im AM-Apparat. Erdmann wurde in der Nacht des Reichstagsbrandes verhaftet und kam in das KZ Sonnenburg. Nach seiner Freilassung lebte er illegal, emigrierte 1935 in die Tschechoslowakische Republik und war als Instrukteur für die KPD tätig. Er organisierte u. a. einen Gegenprozeß unabhängiger Prager Juristen zum Richardstraße-Prozess in Berlin, den die Nationalsozialisten groß inszeniert hatten. Denn im Oktober 1931 waren bei einem kommunistischen Überfall auf ein SA-Vereinslokal in der Neuköllner Richardstraße zwei Personen getötet worden. Deshalb wurde Joseph Erdmann im Berliner Prozess in Abwesenheit als "intellektueller Urheber" angeklagt. 1936 ging er in die UdSSR, wurde dort am 30. Oktober 1936 im Beisein seiner Tochter Annemarie (* 28. Oktober 1924 - gest. 5. März 2004) im Moskauer Emigrantenhotel „Baltschuk“ verhaftet und am 23. Juli 1937 zu acht Jahren Lagerhaft verurteilt. Alle Erkundigungen seiner Frau Margarethe Erdmann (* 16. August 1906 - gest. 13. Januar 1976) nach seinem Schicksal blieben zunächst ergebnislos. Etwa ein halbes Jahr nach seiner Festnahme erhielt Margarethe Erdmann einen Brief ihres Mannes mit Absender Halbinsel Kola (Polarkreis/Uranbergbau). Frieda Schimanski, mit der sie seit ihrer Berliner Zeit befreundet war und die selber in NKWD-Haft saß, berichtete später, daß sie während ihrer Haft zufällig Joseph Erdmann in einem Raum kauernd, zusammengesunken und apathisch gesehen und ihm zugerufen hatte, „nichts zu sagen. Alles sei erlogen“, er reagierte aber nicht. Margarethe Erdmann ließ sich 1937 auf Druck der Partei scheiden. Sie lernte 1940 in Moskau den deutschen Emigranten Erich Dollwetzel kennen, der fünf Jahre Arbeitslager verbüßt hatte. Der wurde nach der Heirat mit ihr erneut verhaftet und in den Norden der SU verbannt. Sie selbst wurde im Januar 1941 nach Alexandrow verbannt, kam im November 1942 in die „Arbeitsarmee“ und verrichtete schwere körperliche Arbeit in verschiedenen Waldsiedlungen. 1954 wurde Margarethe Erdmanns Verbannung aufgehoben, sie durfte 1955 in die DDR, aber erst ab 1964 in Ost-Berlin wohnen. 1954 erhielt sie ein offizielles Schreiben mit der Information, daß ihr erster Mann, Joseph Erdmann, 1936 wegen „Verdachts auf Spionage für Deutschland“ zu zehn Jahren Lager verurteilt worden war. Er sei zur Zeit in keinem der Lager registriert. Später wurde ihr eine Sterbeurkunde übermittelt, nach der Joseph Erdmann angeblich am 7. August 1942 gestorben sein soll. Tatsächlich wurde er am 11. September 1941 im Polit-Isolator von Orel erschossen.
- Web:
- www.bundesstiftung-aufarbeitung.de/wer-war-wer-in-der-ddr-%2363%3B-1424.html?ID=4252
- Literatur:
Hedeler, Wladislaw: Neue Untersuchungen über Linke Kommunisten in der KPD, in: Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung. 2015, S. 279-290; Engels, Willi: Kellner, Koch, Kommunist. Erinnerungen. Berlin: Lukas, 2016, S. 24, 27, 66, 67, 75, 138, 139, 264, 265; Vor die Tür gesetzt. Im Nationalsozialismus verfolgte Berliner Stadtverordnete und Magistratsmitglieder 1933 - 1945 ; [Ausstellung Berliner Rathaus 30. September - 30. November 2005, Berliner Abgeordnetenhaus 8. Juni - 8. Juli 2006]. Red.: Christine Fischer-Defoy et al. Berlin: Verein Aktives Museum, 2006, S. 130-132, 181
Hilfestellung bei der Auflösung verwendeter Abkürzungen:
Verzeichnis der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur
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